Bauanträge liegen nicht selten viele Monate im Bauamt und verzögern so den Planungsprozess. Fristen verstreichen mangels Personal in den zuständigen Behörden. Abhilfe verspricht die sogenannte Genehmigungsfiktion: Mit ihr gilt ein Bauantrag als genehmigt, wenn alle Unterlagen vorliegen und die Behörde nicht fristgerecht darüber entschieden hat. Die Genehmigungsfiktion ist jedoch nur für vereinfachte Verfahren vorgesehen, und das auch nicht in allen Bundesländern. Wann gilt die Fiktion und welche Konsequenzen hat sie für die Architekten und Bauherren?
Wann greift die Genehmigungsfiktion?
Viele Landesbauordnungen sehen eine Genehmigungsfiktion für Baugenehmigungen im vereinfachten Verfahren vor. Zuletzt führte Bayern sie ein, um damit den Wohnungsbau zu beschleunigen. In anderen Bundesländern wie Hamburg, Berlin, Sachsen-Anhalt oder Rheinland-Pfalz gilt sie schon länger. Wieviel Zeit der Behörde bleibt, um über den Bauantrag zu entscheiden, ist unterschiedlich; in der Regel sind es drei Monate.
Kniffliger ist die Frage, ab wann diese Frist zu laufen beginnt. Grundvoraussetzung ist, dass die Antragsunterlagen vollständig vorliegen. In Bayern beispielsweise beginnt die Frist erst drei Wochen nach Zugang des Bauantrags, denn so lange hat die Bauaufsichtsbehörde Zeit, die Nachweise auf Vollständigkeit zu prüfen. Werden weitere Dokumente verlangt, sind Änderungen notwendig oder verändert der Bauherr auf eigenen Wunsch entscheidend die Planung, beginnt die Fiktionsfrist in der Regel erst, wenn alle finalen Unterlagen bei der Behörde eingegangen sind – also dann, wenn der Bauherr alles Erforderliche getan hat und nun nur noch eine Entscheidung abwarten kann.
Bleibt die Entscheidung aus, ersetzt in den meisten Bundesländern (siehe unten) die Fiktion die Genehmigung: Damit wird so getan, als sei eine Baugenehmigung erteilt worden. Meist hat die Bauaufsichtsbehörde, ggf. auf Antrag, auch eine Bestätigung über den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu erteilen. Die Details regeln die Landesbauordnungen.
Problem der Rechtssicherheit
Das Grundproblem, das schon das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren mit sich bringt, wird durch die Fiktion noch verschärft: das Risiko einer späteren Nachprüfung. Erweist sich ein Bauvorhaben im Nachhinein als rechtswidrig, kann auch die fingierte Baugenehmigung wieder zurückgenommen werden. Ein Risiko, das Architekten bei Abschluss ihrer Berufshaftpflichtversicherung berücksichtigen sollten, denn sie schulden ihren Bauherren eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Bei einer zurückgenommenen Genehmigung haften sie im schlimmsten Fall sogar für Abriss und Neubau.
Aufgrund der Rechtsunsicherheit spalten sich an der Genehmigungsfiktion die Geister: In Bayern lehnte die Architektenkammer sie vor ihrer Einführung noch deutlich ab, „da so kein funktionsfähiges und leistbares System für die Zusammenarbeit zwischen bauvorlageberechtigten Entwurfsverfassern und Genehmigungsbehörden entstehen kann“ (BYAK). In Baden-Württemberg hingegen wünscht sich die dortige Kammer noch immer die Möglichkeit der Genehmigungsfunktion. Einig sind sich jedoch beide, dass die beste Lösung für schleppende Verfahren wäre, in den Baurechts- und Fachämtern zusätzliche Stellen zu schaffen und qualifiziert zu besetzen. Angesichts des Fachkräftemangels in der Planungsbranche derzeit wohl ein Wunschtraum.
Welche Alternativen bleiben?
In Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gibt es in der Bauordnung keine Genehmigungsfiktion für Bauanträge. Hier können Planer und Bauherren höchstens eine Untätigkeitsklage oder Dienstaufsichtsbeschwerde erheben oder Schadenersatz wegen Verzugs fordern. Ausgang: ungewiss.
Wollen Architekten bzw. Bauherren in den anderen Bundesländern nicht lediglich eine fingierte Genehmigung erhalten, können sie dieser in der Regel widersprechen oder von vornherein das umfassende Baugenehmigungsverfahren wählen, um mehr Sicherheit in Haftungsfragen zu erreichen.
Bundesländer mit Genehmigungsfiktion
- Bayern: § 68 Baugenehmigung, Genehmigungsfiktion und Baubeginn, Abs. (2)
- Berlin: § 69 Behandlung des Bauantrags, Abs. (4)
- Brandenburg: § 63 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (4)
- Hamburg: § 61 Vereinfachtes Genehmigungsverfahren, Abs. (3)
- Hessen: § 65 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (2)
- Mecklenburg-Vorpommern: § 63 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (2)
- Rheinland-Pfalz: § 66 Vereinfachtes Genehmigungsverfahren, Abs. (5)
- Saarland: § 64 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (3)
- Sachsen: § 69 Behandlung des Bauantrags, Abs. (5)
- Sachsen-Anhalt: § 68 Behandlung des Bauantrags, Abs. (5)
- Schleswig-Holstein: § 69 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (9)
- Thüringen: § 62 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Abs. (2)