Wie schnell erbringt man als Architekt ungewollt Rechtsberatung für Bauherren – und ist mittendrin in einem möglichen Schlamassel. Dabei klingen die Anfragen zunächst oft harmlos: „Können Sie mir nicht mal einen Mustervertrag für die Beauftragung ausführender Unternehmer zur Verfügung stellen? Sie machen das doch jeden Tag?“ Oder: „Können Sie mich beim Widerspruchverfahren gegen die abgelehnte Bauvoranfrage unterstützen? Sie sind da doch fachlich drin.“
Kennen Sie solche Anfragen von Bauherren? Und haben Sie da bisher manchmal ein Auge zugedrückt, um den Bauherrn nicht zu verlieren? Dann sollten Sie das überdenken. Es drohen nämlich nicht nur – wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz zeigt – Schadenersatzklagen des Bauherrn, wenn Ihre „Beratung“ nicht zum Ziel geführt hat. Es drohen auch Sanktionen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.
Wichtiges Gerichtsurteil zur Rechtsberatung durch Architekten
Ein wichtiges Urteil kommt vom OLG Koblenz (Beschluss vom 07.05.2020, Az. 3 U 2182/19) und lautet:
„Erteilt ein mit der Ausführungsplanung und Mitwirkung bei der Vergabe beauftragter Architekt (Leistungsphasen 5 bis 7) dem Bauherrn in einer unklaren Vertragssituation den Rat, ein konkretes Gestaltungsrecht (hier: Kündigung) auszuüben, handelt es sich dabei um eine Rechtsdienstleitung im Sinne des § 2 RDG, die nur in dem gesetzlich zugelassen Umfang zulässig ist (§ 3 RDG). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Rechtsdienstleistung eines Architekten nach § 5 Abs. 1 RDG als Nebenleistung zulässig ist, ist zu Gunsten des Architekten ein großzügiger Maßstab anzulegen, weil Architektenleistungen in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen haben. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass – jedenfalls in einigen Leistungsphasen nach HOAI – Rechtsdienstleistungskompetenzen des Architekten als Teil ihres vertraglichen Pflichtenprogramms angesehen werden.
Auch unter Zugrundlegung dieses großzügigen Maßstabs werden die Grenzen der erlaubten Nebenleistung spätestens dann verlassen, wenn der Architekt in Bezug auf die Geltendmachung konkreter Sekundärrechte im Außenverhältnis tätig wird. Hierbei handelt es sich in der Regel um komplexe Rechtsdienstleistungen, die häufig ein erhebliches Risikopotential für den Auftraggeber haben und damit den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorzubehalten sind.“
Kurz: Architekten dürfen hier trotz allem keine Rechtsberatung leisten.
Architekt hatte zur Kündigung aus wichtigem Grund geraten
Was war passiert? Der Architekt hatte seinen Auftraggeber im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung des Einfamilienhauses beraten. Nach Durchführung des Ausschreibungsverfahrens für die Wärmedämmputz- und Beton-Sanierungsarbeiten übersandte dieser ein vom Architekten vorformuliertes Auftragsschreiben an den Gewinner und bat um Auftragsbestätigung binnen zwei Wochen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Gesprächen mit dem Unternehmen über Umfang und Zeitpunkt der Arbeiten. Förmlich bestätigte der Auftragnehmer den Auftrag aber nicht.
Daraufhin riet der Architekt seinem Auftraggeber, den Auftrag zu kündigen und formulierte ein Kündigungsschreiben vor. Mit diesem Schreiben kündigte der Auftraggeber den Auftrag (aus wichtigem Grund). Der Architekt bestätigte gegenüber dem Geschäftsführer des ausführenden Betriebs, dass diese Kündigung wirksam sei. Letzterer wertete das Schreiben jedoch als freie Kündigung und verlangte Kündigungsvergütung. Über diesen Anspruch einigte sich der nunmehr anwaltlich beratene Auftraggeber mit dem Betrieb außergerichtlich und verlangte Schadenersatz vom Architekten wegen unzulässiger Rechtsberatung. Das OLG Koblenz bestätigte diesen Anspruch.
Was ist Ihnen an Rechtsdienstleistung erlaubt und was nicht?
Das Gericht hat sich auch damit befasst, was Architekten an Rechtsberatung für Bauherren erlaubt ist. Es erkennt an, dass Architektenleistungen in vielfacher Hinsicht „Berührungen zu Rechtsdienstleistungen“ haben und in einigen Leistungsphasen der HOAI entsprechende Kompetenzen gar vertraglich verlangt werden. Erlaubt sind laut § 5 Abs. 1 RD Rechtsdienstleistungen „im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören“. Hierzu zählt beispielsweise die Fördermittelberatung, die Aufklärung über Gewährleistungsfristen oder über die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorgaben für ein Projekt (einschließlich Abstandsflächen, Brandschutzvorschriften etc.). Planern dürfen ihre Bauherren auch allgemein darüber informieren, worin die Unterschiede zwischen einem BGB- und einem VOB-Vertrag liegen, was eine Behinderungsanzeige ist oder welche Arten von Mängelansprüchen es gegen Bauunternehmen gibt.
Von ihrer Tätigkeit als Architekt unabhängige Rechtsberatung dürfen sie jedoch nicht erbringen, wozu oft die Beantwortung einzelfallbezogener Fragen zählt (z.B. ob der Bauherr einen VOB- oder BGB-Vertrag wählen sollte). Der geforderte sachliche innere Zusammenhang der Rechtsberatung mit Ihrer Haupttätigkeit wird spätestens dann problematisch, wenn Sie konkrete Fragestellungen behandeln, die auch von Rechtsanwälten übernommen werden können, ohne dass dies Ihre Pflichten aus dem Architektenvertrag beeinträchtigt. Dazu zählt beispielsweise, wenn Sie – wie im Fall des OLG Koblenz – bei der Durchsetzung von Kündigungsrechten beraten. Mit einer solchen Rechtsberatung geht häufig ein erhebliches Risikopotential einher. Sie ist daher Rechtsanwälten vorbehalten.
Unproblematisch ist hingegen stets die Beantwortung aller Fragen, die keine rechtliche, sondern eine rein fachtechnische Prüfung erfordern.
Haftung bei Falschberatung
Wichtig für Sie ist auch noch eine Abschlussbemerkung des OLG: Selbst wenn es sich um eine für Architekten zulässige Rechtsdienstleistung handelt, befreit Sie das nicht von der Haftung. Stellt sich Ihre Beratung im Nachhinein als fachlich und juristisch falsch heraus, liegt „eine vertragliche Haftung aus §§ 631, 280 BGB wegen Falschberatung nahe“.
Die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten deckt all jene Rechtsdienstleistungen ab, zu denen er aufgrund seines Berufsbildes verpflichtet ist.
Beispiele für unzulässige Rechtsberatung von Architekten
Die folgende Übersicht zeigt, in welchen Leistungsphasen die fachlich-technische Begleitung bei Rechtsfragen ansteht. Von den dort genannten Leistungen sollten Sie als Planer die Finger lassen. Hier dürfen Architekten keine Rechtsberatung leisten:
- Lph 0:
- Beratung zur Rechtswirksamkeit von Vorgaben aus der Bauleitplanung
- Widerspruch gegen Vorgaben aus der Bauleitplanung
- Lph 2:
- Rechtliche Beratung bei Widerspruchsverfahren im Zuge der Stellung einer Bauvoranfrage
- Lph 7:
- Beratung in Hinsicht auf vergaberechtliche Rechtsfragen (z. B. Berechtigung des Ausschlusses von Angeboten bei öffentlichen Ausschreibungen)
- Lph 8:
- Einbehalt von Vertragsstrafen gemäß Vertragsstrafenregelung im Bauvertrag
- Festlegung der Höhe des Druckzuschlags bei Einbehalten wegen mangelhafter Ausführung
- Vertragliche Sanktionen (Kündigungsandrohung und ggf. Vertragskündigung/Teilkündigung bei Verstoß gegen Vertragspflichten)
So ziehen Sie sich gegenüber Auftraggebern gekonnt aus der Affäre
Die Entscheidung des OLG Koblenz hat auch ihr Gutes: Sie können Auftraggebern damit ganz klar kommunizieren, dass es nicht darum geht, dass Sie ihn als Architekt nicht rechtlich beraten möchten. Sie dürfen es schlicht und ergreifend nicht (auch weil Sie dazu nicht ausgebildet sind). Sie würden damit eine Ordnungswidrigkeit begehen. Deswegen ist die rechtsberatende Tätigkeit bei der Besonderen Leistung „fachliche und organisatorische Unterstützung des Bauherrn im Widerspruchsverfahren, Klageverfahren oder ähnlichen Verfahren“ im Leistungsbild Gebäude auch auf die fachliche und organisatorische Unterstützung begrenzt.