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Ausschreibungen für Architekten- und Ingenieurleistungen: Wo finden, wie bewerben?

von | 19. Jan. 2021

Gerade in Corona-Zeiten erwägen etliche Büros, sich neben privaten Auftraggebern auch um Projekte der öffentlichen Hand zu bemühen. Architekten- und Ingenieurleistungen sind oft als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben und stehen damit grundsätzlich allen qualifizierten Büros offen. Wer bislang noch wenig Erfahrung mit Ausschreibungen hat, sollte sich mit den verschiedenen Vergabeverfahren vertraut machen. Denn um möglichst gezielt an Ausschreibungen teilzunehmen und die Kräfte auf die vielversprechendsten Projekte zu konzentrieren, müssen Architekten und Ingenieure die Unterschiede und Fallstricke der Vergabeverfahren kennen.

Dies sind die wichtigsten Vergabeverfahren und ihre Merkmale:

Offene Ausschreibungen / Vergaben

Offene Ausschreibungen kommen vor allem bei standardisierten Leistungen zum Einsatz. Jedes interessierte Unternehmen kann ein Angebot einreichen. Da Nachverhandlungen um Angebote oder Preise verboten sind, haben alle Bieter nur eine Chance. Da dieses Verfahren keinen qualitativen Wettbewerb ermöglicht, gibt es von Seiten der Berufsverbände viel Kritik an offenen Ausschreibungen. 2020 machten sie bei architektenrelevanten Verfahren rund 20% aus, bei Ingenieurleistungen rund 34% (Quelle: competitionline).

Verhandlungsverfahren

Werden Architekten- und Ingenieurleistungen ausgeschrieben, sind oft Konzeptideen und innovative Lösungen gesucht. Die zu erbringenden Leistungen lassen sich im Vorfeld nicht erschöpfend beschreiben. Daher kommen statt offener Ausschreibungen oft Verhandlungsverfahren zum Einsatz. Dabei verhandeln Auftraggeber und Bieter sowohl über den Preis als auch über die Vertragsinhalte.

Dem Verhandlungsverfahren ist oft ein Planungs- oder ein Teilnahmewettbewerb vorgeschaltet, so dass nur eine bestimmte Bieterzahl an den eigentlichen Verhandlungen teilnimmt. Der Vorteil für Architekten und Ingenieure: Sie müssen sich bei den Verhandlungen meist nur gegen wenige Bieter durchsetzen. Dem Aufwand der Angebotserstellung steht damit eine realistische Chance gegenüber, tatsächlich einen Auftrag zu erhalten.

Teilnahmewettbewerb

Bei vielen Vergabeverfahren ist nur eine beschränkte Teilnehmerzahl vorgesehen. Um die Auswahl fair und transparenten zu gestalten, findet in der Regel zunächst ein Teilnahmewettbewerb statt. Hierfür dürfen sich alle geeigneten Büros bewerben. Wer weiterkommt, hängt von der Eignung ab und manchmal auch vom Glück:

  • Auswahl nach Punkten: Der Auslober gibt vorab konkrete Eignungskriterien bekannt. Gängig sind beispielsweise Referenzprojekte, für die man in verschiedenen Kategorien (Größe, Honorarklasse, Fertigstellungsdatum, Nutzungsart etc.) Punkte erhält.
  • Losentscheidung: Müssen nur Mindestkriterien erfüllt sein, entscheidet bei zu hoher Bewerberzahl das Los. Bei dieser Vorgehensweise haben oft auch Büros eine Chance, die über weniger Erfahrung als Mitbewerber verfügen.

Planungswettbewerbe für Architekten und Ingenieure

Bei Architektur- oder Ingenieurwettbewerben ist zunächst zwischen Ideen- und Realisierungswettbewerben zu unterscheiden: Bei einem Ideenwettbewerb winken den Siegern Preisgelder und Renommée. Bei einem Realisierungswettbewerb wird darüber hinaus in der Regel der Erstplatzierte mit dem ausgeschriebenen Projekt beauftragt. (Allerdings kann grade bei öffentlichen Aufträgen einiges dazwischenkommen: Leere Kassen, Regierungswechsel oder Bürgerbegehren können den Start des Projekts verzögern oder ganz verhindern. Und private Projektentwickler, die ebenfalls gelegentlich Planungswettbewerbe durchführen, behalten sich meist vor, statt des Siegerbüros auch den Zweit- oder Drittplatzierten beauftragen zu können.)

Handelt es sich um einen offenen Wettbewerb, können alle qualifizierten Büros einen Beitrag einreichen. Die Einstiegshürden sind somit niedrig und gerade für unerfahrene Architekten oder Bauingenieure eine Chance. Ein Nachteil ist die oft sehr große Konkurrenz. Um das Verhältnis von Aufwand und Gewinnchancen zu verbessern, bieten sich insbesondere für Büros, die bereits über ausreichend Referenzen verfügen, teilnahmebeschränkte Wettbewerbe an. Der Aufwand ist schließlich nicht zu unterschätzen: Erfolgreiche Architektur- und Stadtplanungsbüros investieren im Schnitt 360 Arbeitsstunden pro Wettbewerb, dazu kommen noch Leistungen wie Visualisierungen und Modelle.

Vor der Suche nach passenden Ausschreibungen sollten Architekten und Ingenieure daher zunächst überlegen, welche Verfahren für ihr Büro überhaupt sinnvoll sind: Macht die Teilnahme an Ideenwettbewerben Sinn, um Referenzen in einem neuen Gebiet zu erlangen? Oder konzentriert man sich auf Verhandlungsverfahren in einem Bereich, in dem man über die meiste Erfahrung verfügt? Welche Größenordnung sollten die Projekte haben und welche Regionen kommen in Frage?

Europaweite Ausschreibungen auf TED – auch für kleine Büros eine Chance

Planungsleistungen von mindestens 214.000 Euro netto müssen öffentliche Auftraggeber laut der Vergabeverordnung (VgV) europaweit ausschreiben. Für die obersten und oberen Bundesbehörden gilt dies schon für Aufträge ab 139.000 Euro netto. Nur rund 14% aller Architektur- oder Stadtplanungsbüros nehmen bislang an EU-weiten Auftragsverfahren und Wettbewerben teil – eine vertane Chance?

Auch in EU-weiten Ausschreibungen sollen grundsätzlich mittelständische Interessen gewahrt werden, das heißt große Unternehmen dürfen nicht systematisch bevorzugt werden. Verfügt ein Architektur- oder Ingenieurbüro für eine Ausschreibung nicht über die geforderten Eignungsnachweise – etwa Referenzen oder einen bestimmten Mindestumsatz – besteht daher die Möglichkeit, mit anderen eine Bietergemeinschaft zu bilden oder auf eine Eignungsleihe zurückzugreifen. Gerade für kleine oder junge Büros ist das eine Möglichkeit, auch an größeren Projekten mitwirken zu können.

Alle europaweiten Ausschreibungen sind auf der kostenlosen Online-Plattform TED – Tenders Electronic Daily zu finden. Dabei handelt es sich um die Online-Version des „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“. Sie umfasst rund 235.000 öffentliche Ausschreibungen pro Jahr. Wer hier suchen will, muss systematisch vorgehen und legt sich am besten zunächst ein geeignetes Suchprofil an. Ausschreibungen lassen sich unter anderem nach Region, Branche, Auftragswert und Verfahrensart durchsuchen.

Auch gewerbliche Auftraggeber, die keine vergaberechtlichen Vorgaben beachten müssen, nutzen zum Teil TED, um größere Projekte auszuschreiben.

Regionale Vergabeportale

Schwieriger gestaltet sich die Suche nach kleineren Ausschreibungen bzw. Vergaben. Bund, Kommunen und Länder nutzen hierfür unterschiedliche, frei zugängliche Ausschreibungsportale. Privaten Auftraggeber steht es frei, wo sie Aufträge veröffentlichen.

Bundesweite Online-Plattformen, auf denen Architekten, Bauingenieure und Fachplaner Aufträge finden, sind unter anderem:

Darüber hinaus gibt es diverse regionale Portale, zum Beispiel für Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Ausschreibungen effizient suchen

Beschränken Sie die Ausschreibungssuche auf einige wenige, relevante Portale und nutzen Sie Such- oder Filterfunktionen, um die Informationsflut einzudämmen. Es empfiehlt sich, mindestens wöchentlich zu suchen, da die Bewerbungsfrist oft nur einen Monat beträgt und das Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen einige Zeit beansprucht. Häufig geforderte Eignungsnachweise sollten Planungsbüros an zentraler Stelle digital ablegen, so dass man sie nicht für jedes Verfahren neu suchen muss. Außerdem müssen sich Planer rechtzeitig um eine digitale Signatur kümmern, da die meisten Bewerbungen online erfolgen.

Stoßen Sie bei der Recherche auf interessante Projekte, sollten Sie sich insbesondere folgende Fragen stellen:

  • Erfüllt mein Büro die Mindesteignungskriterien?
  • Kann ich die vorgegebenen Fristen und Rahmenbedingungen einhalten? (Sind beispielsweise im genannten Projektzeitraum ausreichend Ressourcen verfügbar?)
  • Ist das Projekt wirtschaftlich attraktiv?
  • Sind die Risiken für mein Büro beherrschbar?
  • Wie groß sind die Chancen, den Auftrag zu erhalten? (eigene Qualifikation, Konkurrenz etc.)

Richtig bewerben

Wer sich für eine Bewerbung entscheidet, sollte die Ausschreibungsunterlagen genau lesen und auf Vollständigkeit prüfen. Bei Unklarheiten oder missverständlichen Formulierungen können alle Interessenten Fragen an die Vergabestelle stellen; ein offizieller elektronischer Kontaktweg ist stets in der Ausschreibung angegeben. Anschließend sollte der verantwortliche Architekt oder Ingenieur die wichtigsten Eckpunkte in einer standardisierten Übersicht festhalten. Besonders wichtig sind Fristen, Zuschlagskriterien und geforderte Unterlagen.

Beim Zusammenstellen und Einreichen der Unterlagen ist Genauigkeit gefragt. Passen die gewählten Referenzen zur jeweiligen Ausschreibung? Sind alle Nachweise im geforderten Format erbracht, alle Unterschriften geleistet? Sind beim anonymen Verfahren alle Hinweise auf die Identität des Bieters von den Bewerbungsunterlagen entfernt?

Zum Schluss bleibt nur noch eines: Daumen drücken!

Verwandte Themen: Akquise – So kommen Architekten und Ingenieure an Aufträge 

Immer gut beraten: Bei Fragen zur Berufshaftpflichtversicherung für Architekten, Landschaftsarchitekten, Bauingenieure oder Fachplaner kontaktieren Sie uns gern.

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