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Beachtung der anerkannten Regeln der Technik hin oder her

von | 19. Jul. 2023

Mangelfrei ist das Werk nur, wenn es seinen Zweck erfüllt und funktioniert!

Ein Werk gilt als mangelhaft, wenn der Ist-Zustand vom vertraglich geschuldeten Soll-Zustand abweicht. Dieser Grundsatz wird durch den funktionalen Mangelbegriff ergänzt, der die Funktionstauglichkeit des Werks betont.

Unabhängig von der Leistungsbeschreibung schuldet der Auftragnehmer ein Werk, das die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllt. Die Funktionstauglichkeit umfasst alle Eigenschaften, die erforderlich sind, um den vereinbarten Erfolg sicherzustellen. Selbst wenn der Auftragnehmer die Ausführungsplanung und das Leistungsverzeichnis fehlerfrei umsetzt, kann er Ansprüchen auf Mangelbeseitigung ausgesetzt sein, wenn das Werk aufgrund eines scheinbar unabhängigen Sachverhalts seine Funktionstauglichkeit nicht erfüllt.

Trotz der Bekanntheit des funktionalen Mangelbegriffs und des Grundsatzes „Ein Dach muss dicht sein!“ scheint es in der Praxis ein mangelndes Bewusstsein für die Risiken zu geben, die aus der funktionellen Betrachtungsweise und der Verpflichtung zum Erfolg resultieren.

Der Bundesgerichtshof (BGH) definiert den vom Auftragnehmer geschuldeten Erfolg nicht nur anhand der vereinbarten Leistungen, sondern auch anhand des angestrebten Zwecks und der Funktion des Werks. Die vereinbarte Beschaffenheit umfasst alle Eigenschaften, die den vertraglich geschuldeten Erfolg gemäß der Vereinbarung der Parteien herbeiführen sollen. Die Leistungsvereinbarung wird von der Herstellungspflicht überlagert, die darauf abzielt, ein zweckentsprechendes und funktionstaugliches Werk gemäß den Vertragsumständen zu erbringen.

Eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit liegt vor, wenn das Werk den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch nicht erfüllt. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine bestimmte Ausführungsart vereinbart wurde oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und kann dieser Erfolg nicht mit der vereinbarten Leistung, Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik erreicht werden, schuldet der Auftragnehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit.

Obwohl die Grundsätze und der funktionale Mangelbegriff umstritten sind, stimmt die überwiegende Mehrheit der Rechtsprechung und -literatur dem BGH zu. Der Auftragnehmer trägt die Verantwortung für das Gelingen des Werks, einschließlich der Funktionstauglichkeit. Daher wird in der Regel stillschweigend die Funktionstauglichkeit als Beschaffenheit zwischen den Parteien vereinbart.

Aufgrund dieser Grundsätze und der damit verbundenen Erfolgshaftung schuldet der Auftragnehmer grundsätzlich alle Leistungen, die zur Realisierung eines funktionstauglichen Werks erforderlich sind. Dies führt zu einer weitreichenden Haftung des Auftragnehmers.

Die konkrete Funktion des Werks und die dafür erforderlichen Leistungen ergeben sich aus der Auslegung der Willenserklärungen und des Vertrags. Im Bauvertrag beispielsweise ist der Inhalt der gesamten Leistungsbeschreibung entscheidend. Dabei sind auch die Umstände des Einzelfalls, wie die konkreten Verhältnisse des Bauwerks, die Verkehrssitte und Treu und Glauben zu berücksichtigen.

Wenn sich ein Widerspruch zwischen der in der Leistungsbeschreibung vereinbarten Ausführungsart und der angestrebten Funktionstauglichkeit zeigt, hat die Funktionstauglichkeit in der Regel Vorrang. Denn das Leistungsverzeichnis und die Leistungsbeschreibung dienen der Verwirklichung des beabsichtigten Werkerfolgs, der oft auf die Nutzbarkeit des Werks abzielt. Wenn die vereinbarte Funktionstauglichkeit mit der vorgesehenen Ausführungsart nicht erreicht werden kann, schuldet der Auftragnehmer dennoch eine funktionstaugliche Leistung. In solchen Fällen kann der Auftragnehmer zur Erreichung der Funktionalität und Mangelfreiheit zu Mehrleistungen oder abweichenden Leistungen verpflichtet sein. Die Funktionstauglichkeit überlagert andere Beschaffenheitsvereinbarungen.

Trotz der Bekanntheit dieser Grundsätze führen sie immer wieder zu Rechtstreitigkeiten, in denen oft eine Mängelhaftung des Auftragnehmers festgestellt wird.

In jüngster Zeit hat das Oberlandesgericht Hamm beispielsweise entschieden, dass das Werk des Auftragnehmers die vereinbarte Beschaffenheit vermissen lässt, wenn eine von ihm errichtete Pflasterfläche zwar als Straßenfläche dienen soll und ordnungsgemäß hergestellt wurde, aber die Funktionstauglichkeit nicht über die übliche Lebensdauer einer solchen Fläche (30 Jahre) erhalten bleibt.

Auch eine Fußbodenheizung kann als mangelhaft angesehen werden, wenn die Heizschleifen nicht entsprechend dem Grundriss der zu beheizenden Räume verlegt wurden und dadurch die Räume einschließlich der Böden nicht gleichmäßig beheizt werden und ungewollte Mitheizungen auftreten.

Selbst ein ordnungsgemäß verlegter PVC-Boden kann in seiner Funktionstauglichkeit infrage gestellt werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich um einen „Design-Bodenbelag“ handelt, der in einer repräsentativen Arztpraxis verlegt wurde und an verschiedenen Stellen Dellen oder Resteindrücke aufweist. Das Gericht entschied, dass der Fußbodenbelag trotz ordnungsgemäßer Ausführung aufgrund seiner speziellen Eigenschaften die Funktionserwartungen des Bestellers nicht erfüllt, wonach der Boden den täglichen Belastungen standhalten sollte, ohne Dellen oder ähnliches zu entwickeln.

Auch in einer Dusche sollte geduscht und in einer Badewanne gebadet werden können. Wenn es jedoch bei der Wasserentnahme zu Temperaturschwankungen von bis zu 5 °C kommt, ist dies nicht der Fall. Auch der Putz eines neu hergestellten Wärmeverbundsystems darf nach Ansicht des Gerichts keine Flecken aufweisen, selbst wenn er gemäß dem vereinbarten Leistungsverzeichnis und den anerkannten Regeln der Technik aufgebracht wurde. Andernfalls erfüllt der Putz nicht die an ihn gestellten (optischen) Funktionstauglichkeitsanforderungen.

Der Auftragnehmer kann sich von seiner Haftung befreien, wenn die Ursache für die fehlende Funktionstauglichkeit außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegt und er seinen Prüf- und Hinweispflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Der Auftragnehmer hat die verbindlichen Vorgaben des Auftraggebers sowie die vorgegebenen Stoffe oder Bauteile auf ihre Eignung zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks zu untersuchen. Wenn diese Prüfung negativ ausfällt, sollte der Auftragnehmer den Auftraggeber nachweisbar und unmissverständlich auf die Risiken und Folgen hinweisen.

Besonders bei der Zusammenarbeit mehrerer Gewerke ist auch die Beschaffenheit der Vorleistungen anderer Unternehmen zu beachten, da dies ein möglicher Ansatzpunkt für eine Enthaftung durch rechtzeitige Bedenkenmitteilung sein kann.

Die Fachkunde des Auftragnehmers wird in der Regel anhand derjenigen eines durchschnittlichen Unternehmens des entsprechenden Fachkreises bewertet. Es kommt nicht auf die konkreten Kenntnisse des Auftragnehmers an, sondern auf die Kenntnisse, die von einem Fachunternehmer erwartet werden können, der diese Art von Bauleistung üblicherweise auf dem Markt anbietet und erbringt.

Eine darüberhinausgehende konkludente Risikoübernahme durch den Auftraggeber, beispielsweise durch die bewusste Entscheidung für eine besonders günstige Ausführungsvariante, wird in der Regel abgelehnt. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Auftraggeber in der Regel zumindest an den „Sowieso-Kosten“ für die Mängelbeseitigung beteiligt sein dürfte.

Zusammenfassend führt der funktionale Mangelbegriff dazu, dass der Auftragnehmer nicht nur die vereinbarte Ausführungsart gemäß dem Leistungsverzeichnis, der Leistungsbeschreibung und den anerkannten Regeln der Technik einhalten muss, sondern grundsätzlich ein funktionstaugliches Werk schuldet. Dadurch wird das Haftungsrisiko des Auftragnehmers erhöht. Die fehlende Funktionstauglichkeit ist eine eigenständige Mängelalternative, die auch dann zur Haftung des Auftragnehmers führen kann, wenn er die vereinbarte Ausführungsart und die anerkannten Regeln der Technik beachtet. Der Auftragnehmer muss daher rechtzeitig prüfen, ob das beauftragte Werk in der beabsichtigten Weise funktionieren wird. Wenn Zweifel bestehen oder die Prüfung negativ ausfällt, sollte eine entsprechende Bedenkenanzeige an den Auftraggeber erfolgen, um späteren Ansprüchen wegen fehlender Funktionstüchtigkeit entgegenzuwirken.

Viele Aufgabenbereiche des Architekten und Ingenieurs beinhalten Haftungsrisiken und können zu hohen Schadenersatzforderungen führen. Ein umfassender Berufshaftpflichtschutz ist daher unerlässlich. Mit dem Tarifvergleichs-Rechner von bpa ermitteln Sie mit wenigen Eingaben die Berufshaftpflicht-Anbieter mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis für Ihre individuellen Anforderungen.

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