Vor einiger Zeit erreichte mich ein Anruf eines Architekten.
Er hatte im Internet nach Architektenhaftpflicht gesucht, war über unsere „ansprechende“ Seite gestolpert und bat um Rat in einer für ihn existenzbedrohenden Angelegenheit. Er hätte seine Berufshaftpflicht-Versicherung über einen Versicherungsmakler abgeschlossen und nun ein riesiges Problem, weil ihm gleich zwei Bauherren einen Planungsfehler vorwerfen und das, wo er doch jahrzehntelang schadenfrei war und immer sorgfältig gearbeitet hatte.
Tja, sagte ich, das sei natürlich unglücklich, aber dafür wäre er ja nun auch versichert!
Er berichtete, eigentlich sei er ganz zufrieden mit seinem Versicherer aufgrund des relativ günstigen Beitrags, aber als wenn der Ärger und Stress mit den Bauherrn, die über einen Anwalt mit seitenlangen Vorwürfen gegen ihn vorgingen, nicht genug seien, teilte man ihm nun noch mit, dass er in diesem Fall mit einer erheblichen Beitragserhöhung rechnen müsste:
Sein Beitrag sollte sich mehr als verdoppeln! Er verstünde die Welt nicht mehr, die beiden Schadenfälle würden ihn ohnehin schon viel Zeit und Nerven kosten, und dann auch noch eine solch „gigantische“ Mehr-Prämie ab kommendem Jahr, dazu noch zweimal die Selbstbeteiligung in Höhe von je 5.000 €. Ohnehin würden die Geschäfte gerade nicht so gut laufen, weil sich das mit den Planungsfehlern im Ort herumsprechen würde und er das Gefühl hätte, neue Bauherrn würden ihn meiden.
War die Aussage richtig?
Er nannte mir seine Vertrags-Bedingungen, ich las darin und tatsächlich: der Architekt war schon länger dort versichert und hatte offensichtlich 70 % Schadenfreiheitsnachlass (Schadenfreiheitsklasse 16) in seiner Police. „Schadenfreiheitsklasse?“ fragt der Architekt – ob ich das nicht mit der Autoversicherung verwechseln würde! „Nein, leider nicht, Sie haben doch sicherlich damals vor dem Abschluss des Vertrages Ihre Vertragsbedingungen gelesen bzw. sich diese erklären lassen?“ Nein, der Architekt hatte sich gefreut über die 70 % Nachlass im Angebot („endlich wird meine saubere Arbeit mal belohnt!“) und die zig Seiten Kleingedrucktes hätte er „natürlich“ nicht Seite für Seite gelesen – an das Beratungsgespräch würde er sich nicht mehr erinnern, vielleicht hatte man darüber gesprochen, aber das sei Jahre her!
Da stand nun aber im „Kleingedruckten“, dass bei zwei Schäden innerhalb eines Jahres eine Umstufung der Schadenfreiheitsklasse erfolgen sollte – von Beitragssatz 30 % auf 70 %, was einer Beitragserhöhung von ca. 133% entspricht. Da war sie also dahin, die „Belohnung“ für die jahrelange Schadenfreiheit.
Es kommt leider noch dicker für den Kunden!
Er würde dann wohl lieber kündigen, denn dieser hohe Beitrag wäre für ihn nicht akzeptabel, es gäbe durchaus günstigere Angebote am Markt.
Ich fragte ihn, aus welchem Jahr denn die Schäden stammen? „Wieso aus welchem Jahr? Ich habe erst vor kurzem die Anwaltsschreiben bekommen, also 2015 natürlich.“ Nein, wann denn die Planung stattgefunden hätte, die Häuser würden doch offensichtlich schon länger stehen! „Die Planung für die Häuser habe ich in 2011 gemacht, direkt nacheinander!“ Dann können Sie natürlich kündigen, aber die Prämiensteigerung wird der Versicherer Ihnen dann sicherlich ab 2011 rückwirkend in Rechnung stellen, Sie müssten dann wohl für die letzten Jahre entsprechend nachzahlen (zur Erinnerung: 133 % Zusatzbeitrag pro Jahr).
Der Architekt fiel daraufhin aus allen Wolken und fragte mich, ob das denn rechtens wäre, damit wäre seine Existenz akut bedroht, da er kaum Rücklagen hätte.
Ich zitierte aus den Bedingungen: „Ist der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt der Schadenzahlung erloschen oder gekündigt, ist der Versicherer berechtigt, die Rückstufung rückwirkend ab Verstoßzeitpunkt vorzunehmen und den Mehrbeitrag nachzuerheben. Das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag aus Anlass des Schadenfalles kündigt.„
Also ist das rechtens bzw. bedingungskonform – es wäre sicherlich sinnvoll gewesen, sich vor Abschluss des Vertrages mit diesem Thema zu beschäftigen und nicht nur das Angebot mit dem verlockenden Schadenfreiheitsnachlass von 70 % kurz zu überfliegen.
„Wenn ich damals geahnt hätte, dass ich im Schadenfall eine Fußfessel bekomme….!“
Der Architekt hat auf eine Kündigung verzichtet und nimmt zähneknirschend die Beitragserhöhung ab kommendem Jahr in Kauf. Er hofft, dass der Versicherer nun wenigstens zu seiner Zufriedenheit die Schäden reguliert – unzufrieden UND mehr als doppelt so teuer wie vorher versichert wäre nun wirklich unglücklich!
Fazit der Geschichte: von einer Fußfessel kann man sicher nicht sprechen, den Versicherer kann man schwer dafür verantwortlich machen, dass seine Kunden die Vertragsbedingungen nicht kennen. Vielmehr ist es so, dass man gerade in Versicherungsangelegenheiten gründlich lesen muss, was vertraglich vereinbart ist, um später nicht sein blaues Wunder zu erleben. Der Kunde hätte vielleicht über die Formulierung „70 % Schadenfreiheitsrabatt“ stolpern können – im Umkehrschluss bedeutet ein solcher Passus doch wohl, dass nach einem Schaden eben dieser Rabatt verloren gehen könnte.
Dennoch, ärgerlich ist ein solcher Vorgang für jeden Kunden und mal ehrlich: welcher Planer liest schon jeden Paragraphen gründlich durch? Da gibt es (leider) nur wenige Versicherungskunden!
Mein Tipp: lieber sofort die bestehenden Verträge prüfen, auch das Kleingedruckte, und dann schauen, ob es nicht aktuelle Architektenhaftpflicht-Tarife gibt, die ohne solche „Rabatte“ auskommen und trotzdem günstig sind. Vergleichen Sie am besten noch heute im Vergleichsrechner bis zu sechs Versicherer! Keiner von diesen Anbietern hat eine Schadenfreiheitsrabatt-Klausel in den Bedingungen.
Bekanntester Anbieter mit Schadenfreiheitsrabatt-Klausel und Erhöhung der Prämie ist sicherlich die Architektenhaftpflicht der AIA (Euromaf).
Eine kostenlose und unverbindliche Prüfung bestehender Verträge ist natürlich auch möglich – lieber jetzt bevor es zu spät ist!