Der mit der Objektüberwachung (LPH 8) beauftragte Bauleiter ist auch zu einer Rechnungsprüfung verpflichtet. Insoweit ist es seine Aufgabe, Abschlags- und Schlussrechnungen der ausführenden Unternehmen darauf zu überprüfen, ob die eingesetzten Preise mit den vereinbarten Preisen übereinstimmen, ob Sonderkonditionen berücksichtigt sind und ob die abgerechneten Mengen dem Leistungsstand entsprechen. Vor Freigabe von Anzahlungen oder der Schlussrechnung muss der Bauingenieur bzw. Architekt auch im Einzelnen prüfen, ob die abgerechneten Werkleistungen ordnungsgemäß erbracht und vertragsgemäß sind.
Kommt er der Verpflichtung zur Rechnungsprüfung in der LPH 8 nur unzureichend nach, haftet der Bauleiter dem Bauherrn auf Schadenersatz. Das haben OLG Frankfurt und BGH einem Dipl.-Ing. ins Stammbuch geschrieben. Im Saldo musste er für Sanierungsarbeiten an Balkonsträngen eines Objekts, die mit insgesamt 275.000 Euro abrechnet worden waren, rund 150.000 Euro Schadenersatz an den Auftraggeber zahlen.
Gerichtsurteil: Bauleiter haftet für Überzahlung
Im Rahmen der Leistungsphase 8 war der Bauingenieur u. a. zur Rechnungsprüfung verpflichtet. Hier unterliefen ihm gleich mehrere Fehler und er gab ungerechtfertigte Zahlungen frei: für Nachträge ohne Vergütungsgrundlage, falsch abgerechnete Preise und erhöhte Vorhaltekosten für Gerüste, obwohl die Baufirma die Bauzeitverzögerung selbst zu vertreten hatte. Der Fall ist auch deswegen von breiterem Interesse, weil sich die Gerichte dabei mit gängigen „Abwehrargumenten“ befassen mussten und allesamt abgeschmettert haben (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.08.2018, Az. 21 U 78/17, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 21.08.2019, Az. VII ZR 190/18).
Irrtum 1: Es war keine Bauzeit vereinbart, höhere Vorhaltekosten des Unternehmens sind daher gerechtfertigt
Enthält ein Bauvertrag keine bestimmte oder bestimmbare Frist, ist § 271 BGB anwendbar. Danach ist mit der Herstellung des Werkes alsbald nach Vertragsschluss zu beginnen und zügig auszuführen. Der Umstand, dass keine Bauzeit vereinbart wurde, bedeutete nicht, dass die Ausführungszeit im Ermessen der ausführenden Firma lag. Die Vorhaltekosten für Gerüsttreppe und Lastenaufzug hätten daher nur zu dem vertraglich vereinbarten Preis abgerechnet werden dürfen.
Irrtum 2: Der Auftraggeber war immer über Kostenstand informiert und trägt deshalb Mitschuld
Dieser Einwand des Bauleiters zieht nicht, wenn es bei den geltend gemachten überzahlten Beträgen nicht um Kostenerhöhungen infolge der Sanierung geht, sondern um Vergütungen wegen falsch abgerechneter Preise. Der Umstand, dass der Auftraggeber über die Kostenerhöhung informiert war, verringert die Haftung des Bauingenieurs nicht – hätte er bei der Rechnungsprüfung sauber gearbeitet, wäre ein Großteil der zusätzlichen Kosten nicht angefallen.
Irrtum 3: Der Auftraggeber hat dem Bauingenieur (zu) freie Hand bei Rechnungsprüfung gelassen
Der Ingenieur ist deshalb mit den Sanierungsarbeiten beauftragt worden, weil er ein Fachmann für Bauplanung und Bauaufsicht ist. In diesem Rahmen ist er – unabhängig davon, in welchem Maße und in welcher Art und Weise er dabei vom Auftraggeber begleitet wurde – zu einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung verpflichtet. Je mehr Architekten und Ingenieuren „freie Hand“ gelassen wird, umso mehr sind sie als Bauleiter angehalten, die Handwerksarbeiten zu überwachen, die beauftragten Unternehmen anzuleiten und die Rechnungen sorgfältig zu prüfen. Sie sind damit selbstverständlich nicht dazu befugt, ihre Leistung mangelhaft zu erbringen.
Irrtum 4: Der Ingenieur hatte keinen Einfluss auf Auftragserteilung an nicht leistungsfähiges Unternehmen
Dieser Einwand geht fehl, denn dem Bauingenieur wird nicht vorgeworfen, Fehler bei der Vergabe oder der Auswahl des ausführenden Unternehmens gemacht zu haben (LPH 7). Der Bauherr fordert Schadenersatz, weil der Ingenieur seine Leistungspflicht zur Rechnungsprüfung in der LPH 8 verletzt hat. Im Rahmen dieser Leistungsphase musste der Bauleiter die Werkleistung der Firma überwachen und alle Rechnungen ordnungsgemäß kontrollieren. Diese Verpflichtung traf ihn unabhängig von der Frage, auf wessen Betreiben der Firma der Werkauftrag erteilt wurde.
Irrtum 5: Es liegt kein Schaden vor, weil die Sanierung trotz allem noch preisgünstig war
Es hilft dem Ingenieur nicht, dass die Sanierungskosten in Höhe von 278.147,75 Euro vor dem Hintergrund einer Komplettsanierung und der Größe der Balkons günstig waren und sich am unteren Rand des üblichen Werklohns für vergleichbare Arbeiten bewegt haben. Ob dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist, ob also die Rechnung der Firma überhöht war und der Auftraggeber zu viel gezahlt hat, richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Die Firma war nur berechtigt, beauftragte und erbrachte Leistungen zu den vereinbarten Preisen abzurechnen.
Wenn das ausführende Unternehmen also verlängerte Standzeiten und Vorhaltekosten in Ansatz brachte, die sie nicht hätte abrechnen dürfen, oder Preise ansetzte, die vertraglich nicht vereinbart waren, dann war die Schlussrechnung zu hoch. Der unberechtigte Vermögensabfluss stellt insoweit einen Schaden dar, für den der Ingenieur wegen mangelhafter Rechnungsprüfung haftet.
Irrtum 6: Nicht genehmigte Nachträge waren notwendig und daher gerechtfertigt
Hier half dem Bauingenieur der Einwand nichts, alle im Zuge der Komplettsanierung der Balkone notwendigen Nachträge auf ihre Notwendigkeit überprüft zu haben. Der Auftraggeber hätte diese – vor allem da es Stundenlohnleistungen waren – anordnen müssen. Das war aber nicht passiert.
Die Konsequenz für Architekten und Ingenieure
Die Rechtsprechung tendiert dazu, dass sich Bauherren bei der Rechnungsprüfung in der LPH 8 fast ganz auf Planungs- bzw. Bauleitungsbüros verlassen können. Passiert ein Fehler, und ist das ausführende Unternehmen überzahlt, haften Sie als Planer oder Objektüberwacher für einen finanziellen Schaden des Auftraggebers. Das OLG Hamm hat in einem älteren Urteil (vom 7.8.2008, Az. 21 U 78/07) z. B. klargestellt, dass es der Auftraggeber dabei belassen kann, die von Ihnen freigegebenen Beträge rein buchhalterisch zu prüfen. Er muss nicht kontrollieren, ob der Bauvertrag weitere Kürzungen zuließ. Dieser Haftungssituation können Sie sich nur entziehen, indem Sie mit dem Auftraggeber regeln, wer bei der Rechnungsprüfung wofür zuständig ist und bei der Kontrolle absolute Sorgfalt walten lassen.
Darüber hinaus ist guter Berufshaftpflichtschutz unerlässlich. Überzahlungen sind, sofern sie Folge einer mangelhaften Rechnungsprüfung oder einer fehlerhaften Abschlagszahlung sind, in der Regel von der Architektenhaftpflichtversicherung gedeckt. Ausgenommen sind bewusste Pflichtverstöße des Planers/Bauleiters.
Pflichten bei der Rechnungsprüfung
Architekten und Bauingenieure, die die Rechnungsprüfung in der LPH 8 übernehmen, haben sämtliche Abschlags-, Teilschluss- und Schlussrechnungen fachtechnisch und rechnerisch zu prüfen. Dabei müssen nicht nur die Zahlen richtig sein. Auch die Vergütungsgrundlagen müssen mit der Abrechnung übereinstimmen.
Konkret ist bei der Rechnungsprüfung unter anderem zu kontrollieren, ob
- die in Rechnung gestellten Leistungen vereinbart waren und ordnungsgemäß erbracht wurden,
- Nachträge vereinbart waren und separat abgerechnet werden dürfen,
- die Preise der vertraglichen Vereinbarung entsprechen und die Massen mit dem Aufmaß übereinstimmen,
- die Rechnungen prüffähig und rechnerisch richtig sind,
- alle Skonti, Rabatte und sonstigen Sonderkonditionen berücksichtigt sind,
- vereinbarte Bürgschaften geleistet wurden,
- bereits erfolgte Abschlagszahlungen berücksichtigt sind
- und eventuelle Gegenforderungen des Bauherrn abzuziehen sind.
Kommt der Bauleiter seinen Pflichten nicht umfassend nach, ist sein Haftungsrisiko groß. Bei unrichtiger Prüfung haftet der Architekt oder Ingenieur dem Bauherrn in der Regel auf Schadensersatz in Höhe der Überzahlung. Empfiehlt er dem Bauherrn hingegen, eine zu hohe Summe einzubehalten, haftet er womöglich für die Folgekosten (Prozesskosten).
Die Rechnungsprüfung ist somit für Architekten und Ingenieure eine Gradwanderung. Da sich Fehler nie ganz ausschließen lassen, benötigen sie insbesondere für die LPH 8 eine verlässliche Haftpflichtversicherung.