Seit Jahren treten beim Bau von (Wohn-)Gebäuden die immer gleichen Baumängel auf. Für alle Beteiligten besonders ärgerlich: Die dadurch entstandenen Schäden werden von Jahr zu Jahr teurer, wie die Daten von Versicherern zeigen. Wer ist dafür verantwortlich und was können Bauherren, Bauleiter, Architekten und Ingenieure dagegen unternehmen?
Die gute Nachricht vorweg: Pfusch bei Planung, Bau oder Bauüberwachung sind die Ausnahme. Die Schadenskosten klettern insbesondere deswegen in die Höhe, weil die Anforderungen an die Gebäude laufend steigen – und damit auch das Schadenpotenzial. Zudem treten die meisten Baumängel in Bereichen auf, in denen komplexe, kostenintensive Folgeschäden drohen. In der Regel sind von den Schäden gleich mehrere Bauteile betroffen.
Typische Baumängel und Schäden
Besonders häufig sind Feuchte- und Feuchtefolgeschäden: Sie stellen 51 Prozent der Versicherungsschäden dar, so der aktuelle Bauschadenbericht der VHV. Dazu zählen etwa Farb- und Putzablösungen, Schimmelpilzbefall, beschädigte Holzbauteile oder Bodenbeläge. Gängige Auslöser sind eine mangelhafte Gebäudeabdichtung oder fehlende Belüftung in ungeheizten Räumen, aber auch mangelhafte Anschlüsse von Gebäudeteilen, z.B. vorgestellte Balkone ohne thermische Trennung. Die schwersten Schäden werden durch mangelhafte Verpressungen von Rohrverbindungen (Fittings) hervorgerufen, denn das dadurch austretende Leitungswasser wird oft erst nach langer Zeit entdeckt.
Laut einer Studie des Institut für Bauforschung tritt rund die Hälfte der Baumängel bis zur Fertigstellung des Rohbaus auf. Sie liegen damit zunächst offen und können bei guter Kontrolle noch rechtzeitig behoben werden. Besondere Aufmerksamkeit sollten Bauingenieure bzw. Architekten grundsätzlich den folgenden vier Bereichen widmen, auf die die meisten Mängel entfallen:
- Rohbau / Statik
- Innenputz / Estrich
- Gebäudeabdichtung
- Wärmedämmung
Woran liegt’s? Die wichtigsten Schadenursachen
Mit 38% die häufigste Schadenursache sind Ausführungs- und Montagefehler. Es folgen mit 23% mangelhafte Schutzmaßnahmen (z.B. Abdecken von frisch erstelltem Mauerwerk mit Folien als Witterungsschutz). Doch auch Planung und Bauüberwachung können (mit)verantwortlich sein, weshalb auch Architekten und Ingenieure eine Berufshaftpflichtversicherung benötigen.
So sind laut VHV-Bericht oft folgende Ursachen entscheidend (vor allem für die gängigen Regen- und Leitungswasserschäden):
- Mangelhafte Berücksichtigung von Grundwasserverhältnissen bzw. fehlendes Baugrundgutachten
- Mangelhafte Schnittstellenkoordination der unterschiedlichen Gewerke
- Mangelhafte bautechnische Vorkenntnisse / Verwendung ungeeigneter Baumaterialien
- Flüchtigkeitsfehler in der Ausführung aufgrund des hohen Zeitdrucks
- Fehlende oder unzureichende Kontrollen durch die Bauüberwachung
Zwei wichtige Stellschrauben gibt es, an denen Bauherren und die beauftragten Architekten bzw. Bauingenieure ansetzen können, um das Risiko für viele Schadensarten zu minimieren: die Koordination der Baustelle sowie die Bauüberwachung.
Koordination der Baubeteiligten und „immer mitdenken“
Der Bauherr muss als Auftraggeber sicherstellen, dass die Baustelle vorausschauend organisiert ist und alle am Bau Beteiligten angemessen integriert werden. Eindeutige Leistungsverzeichnisse und Bauzeitenpläne sind zu erarbeiten und die beteiligten Gewerke müssen sich regelmäßig austauschen und ihre jeweiligen Arbeiten aufeinander abstimmen.
Für die Qualitätssicherung sind grundsätzlich alle gemeinsam verantwortlich. Hier reicht es nicht, die Verantwortung bzw. Schuld schlicht auf den bauüberwachenden Architekten zu schieben. „Jeder muss seine Aufgabe gewissenhaft und mangelfrei erfüllen – und am besten auch immer nach links, rechts, oben und unten für die weiteren Beteiligten mitdenken“, bringt es Fachanwalt Prof. Günther Schalk auf den Punkt.
Gut organisierte Bauüberwachung
Dennoch bleibt die Bauüberwachung ein wichtiger Hebel, um Baumängel und (spätere) Schäden zu verhindern. Durch baubegleitende Qualitätskontrolle können verdeckte Mängel innerhalb eines Neubauvorhabens vermieden und somit die Risiken für den Bauherren oder Bauträger minimiert werden.
Die Herausforderung liegt für die beauftragten Architekten oder Bauingenieure darin, die richtigen Prioritäten zu setzen. Denn eine lückenlose Rund-um-die-Uhr-Überwachung sämtlicher Gewerke ist weder möglich noch erforderlich. Der BGH verlangt in seiner Rechtsprechung stattdessen die Kontrolle aller wichtigen Arbeiten, anforderungsgerecht je Einzelfall. Je komplexer eine Bauleistung ist, desto größer ist das Mangelrisiko und desto intensiver sollte sie überwacht werden.
Grundsätzlich reicht es nicht aus, wenn der Ingenieur bzw. Architekt nur regelmäßig vor Ort ist. Er muss sich auch durch Stichproben davon überzeugen, dass die Baufirmen mangelfrei arbeiten. Bei besonders schadensanfälligen Bauleistungen muss er ganz genau hinschauen. Die Bauüberwachung sollte daher gut organisiert sein und sich auf die zeitnahe Kontrolle der relevanten Arbeitsschritte konzentrieren. Entdeckt er dabei Mängel, muss er eine Mängelrüge schreiben.
Was muss der Architekt / Bauingenieur / Bauleiter leisten?
Ein mit der LPH 8 beauftragter Planer schuldet dem Bauherrn zwar kein mangelfreies Bauwerk, aber eine mangelfreie Bauüberwachung. Um die nachweisen zu können, sollte er seine Arbeit sorgfältig dokumentieren, etwa in Form eines Bautagebuchs, mit Fotos oder Aktennotizen. Vor allem wenn er merkt, dass etwas nicht so läuft, wie es sollte. Für mehr Rechtssicherheit und Transparenz empfiehlt es sich, den Bauherren umfassend zu informieren und einzubinden, gerade bei Unregelmäßigkeiten.
Doch auch wer als Architekt oder Bauingenieur nicht die Bauüberwachung übernimmt, hat großen Einfluss auf die Qualität und Mängelfreiheit eines Bauvorhabens: durch die Planung robuster und nachhaltiger Bauwerke. Durch vollständige Planungsunterlagen und eine genaue Leistungsbeschreibung. Und nicht zuletzt durch eine umfassende Information des Bauherrn. Architekten müssen den Bauherrn beraten, welche Sonderfachleute oder Fachplaner zusätzlich einzuschalten sind oder welche Besonderen Leistungen er über die HOAI-Grundleistungen hinaus beauftragen sollte, um die Risiken seines Bauvorhabens zu minimieren.
Zu guter Letzt
Trotz allen Bemühens um hohe Qualität ist niemand vor Fehlern gefeit. Der Druck durch enge Zeitpläne wird bestehen bleiben und die technische und rechtliche Komplexität eher noch zunehmen. Alle Baubeteiligten sind daher auf guten Versicherungsschutz – insbesondere für berufliche Haftpflichtrisiken – angewiesen. Und sie sollten wissen, wie sie sich im Schadensfall richtig verhalten und den Berufshaftpflichtschaden melden.