Da es in Deutschland Pflicht ist, krankenversichert zu sein, stehen angehende Freiberufler und Selbständige früh vor der Systemfrage: gesetzliche oder private Krankenversicherung? Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile und lassen sich nur begrenzt kombinieren. Um sich für eine langfristig sinnvolle Lösung zu entscheiden, sollten Existenzgründer wie selbständige Architekten, Ingenieure oder IT-Berater die wesentlichen Unterschiede kennen und zunächst ihre persönlichen Bedürfnisse analysieren.
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für Freiberufler
Die meisten Freiberufler können mit Beginn ihrer Selbständigkeit wählen: Wollen sie als freiwillig Versicherte bei ihrer bisherigen gesetzlichen Krankenkasse bleiben oder in die private Krankenversicherung wechseln? Entscheiden sie sich für die GKV, müssen sie dies innerhalb von 3 Monaten nach der Gründung schriftlich beantragen und ihre voraussichtlichen Umsätze und Erträge angeben. Ihnen stehen dabei folgende Optionen offen (alle Angaben Stand 2021):
- Versicherung ohne Krankengeld – reduzierter Beitragssatz von 14% plus Zusatzbeitrag der jeweiligen Krankenkasse (im Durchschnitt 1,1,%)
- Versicherung inklusive Krankengeld ab dem 43. Tag der Krankschreibung – allgemeiner Beitragssatz von 14,6% plus Zusatzbeitrag
- Unterschiedliche Wahltarife, z.B. der Wahltarif Krankengeld mit früheren oder höheren Leistungen im Krankheitsfall
Bei der gesetzlichen Krankenkasse bemisst sich die Beitragshöhe nicht am Alter oder Gesundheitszustand des Versicherten, sondern am persönlichen Einkommen. Dazu zählen bei Freiberuflern zählen neben den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit auch andere Einkommensarten wie Mieteinnahmen oder Kapitalgewinne. Wichtig zu wissen: Es gibt sowohl eine Mindest- als auch eine Höchstgrenze.
- Die gesetzliche Mindestbemessungsgrundlage liegt bei 1.096,67 Euro brutto pro Monat. Das heißt, wer als Selbständige weniger verdient, zahlt trotzdem monatlich rund 160 Euro plus Zusatzbeitrag. (Lediglich Teilzeitselbständige, die maximal 470 Euro monatlich verdienen, dürfen beitragsfrei in einer Familienversicherung bleiben.)
- Die obere Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 4.837,50 Euro brutto pro Monat. Der Höchstbeitrag in der GKV beträgt somit rund 706 Euro plus Zusatzbeitrag.
Angebote und Preise der einzelnen gesetzlichen Krankenkassen unterscheiden sich nur wenig – bei der Höhe des Zusatzbeitrags und zum Teil bei individuellen Leistungen. Wie sich grundsätzlich die Beiträge und allgemeinen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung künftig entwickeln, ist schwer abzuschätzen. In der Vergangenheit sind die Kosten der GKV meist deutlich stärker gestiegen als die allgemeine Preisentwicklung.
Nicht nur bei der Krankenversicherung lohnt ein Vergleich – auch bei der Berufshaftpflichtversicherung, die alle selbständigen Architekten und Ingenieure benötigen. Informieren Sie sich jetzt: Wir beraten Sie gern unabhängig und individuell.
Private Krankenversicherung (PKV)
Deutlich mehr Wahlmöglichkeiten haben Freiberufler bei den privaten Krankenversicherungen. Diese bieten verschiedene Tarife mit unterschiedlichem Leistungsumfang an. Der Basistarif, den jede private Krankenkasse seit 2009 anbieten muss, entspricht in etwa den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Die anderen Tarife heben sich durch einen deutlich umfangreicheren Leistungsumfang ab und erstatten verschiedenste weitere Kosten, etwa alternative medizinische Methoden, Chefarztbehandlung oder Einbettzimmer bei stationären Krankenhausaufenthalten. Auch die Wartezeit auf Behandlungstermine verringert sich in der Regel deutlich. So kann mit der privaten Krankenversicherung grundsätzlich ein höherer Schutz erzielt werden als mit der gesetzlichen.
Die Höhe der Beiträge ist bei der PKV – im Gegensatz zur GKV – unabhängig vom Einkommen des Freiberuflers. Entscheidende Faktoren sind stattdessen der gewählte Leistungsumfang sowie Alter und Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers. Vor Beitritt wird daher eine Gesundheitsprüfung durchgeführt. Um Beitragssteigerungen im Alter zu vermeiden, bilden die privaten Krankenkassen Altersrückstellungen. Bei einem Versicherungswechsel lassen sich diese Rückstellungen größtenteils auf den neuen Versicherer übertragen (sofern der Abschluss der Krankenversicherung nicht vor 2009 lag).
Wer jung und gesund ist und ein höheres Einkommen erzielt, profitiert bei der privaten Krankenversicherung meist von einem besseren Preis-Leistungsverhältnis als bei der gesetzlichen. Dennoch sollten selbständige Architekten, Ingenieure und andere Freiberufler gründlich abwägen wie sich ihre persönliche Situation (Einkommen, Familie etc.) voraussichtlich entwickeln wird.
GKV und PKV im Vergleich
Gesetzliche Krankenversicherung | Private Krankenversicherung | ||
Beitrag ist vom Einkommen abhängig | Beitrag ist einkommensunabhängig | ||
Keine Gesundheitsprüfung nötig | Gesundheitsprüfung bei Erstabschluss oder Anbieterwechsel | ||
Überwiegend gesetzlich eingeschränkter Leistungskatalog; keine Anpassungsmöglichkeit an persönlichen Absicherungswunsch | Versicherungsschutz auf persönliche Wünsche bzw. persönlichen Bedarf abstimmbar (z.B. Einbettzimmer, Heilpraktiker, Zahnimplantate, etc.) | ||
Begrenzung der Leistung auf den Regelsatz der Gebührenordnung für Ärzte, dadurch keine Kostenübernahme durch Spezialisten | Erstattung je nach Tarif auch über Regel- und Höchstsatz der Gebührenordnung für Ärzte hinaus (Honorarvereinbarung für Spezialisten) | ||
„Reformierbarkeit“ des Leistungskatalogs (normalerweise Kürzungen) | Vereinbarte Leistungen vertraglich bis ans Lebensende garantiert | ||
In der Regel direkte Abrechnung zwischen Arzt und Krankenkasse | Versicherte müssen in Vorleistung treten, PKV erstattet anschließend die Kosten | ||
Diverse Zuzahlungen (bei Medikamenten, Zahnersatz etc.) | Zuzahlungen nur entsprechend vereinbarter Selbstbeteiligung oder der vereinbarten Erstattungsgrenzen eines Tarifs | ||
Unter Umständen beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten und Kindern | Familienmitglieder müssen mit separatem, zusätzlichem Beitrag abgesichert werden | ||
Beitragsbefreiung in Mutterschutz und Elternzeit | In Mutterschutz und Elternzeit besteht in der Regel weiterhin Prämienzahlungspflicht | ||
Auslandsschutz nur eingeschränkt vorhanden | Grundsätzlich weltweiter Versicherungsschutz, evtl. zeitliche Einschränkungen, sowie Begrenzung auf vereinbarten Vertragsumfang | ||
Wechsel zu anderem Anbieter problemlos möglich | Späterer Wechsel zu anderem Anbieter nur bei entsprechend gutem Gesundheitszustand möglich | ||
Beitragsentwicklung im Alter in erster Linie von dann gültiger Gesetzgebung abhängig | Beitragsentwicklung im Alter durch Beitragsentlastungsplan, Altersrückstellungen und Tarifwechsel beeinflussbar |
Alternativen und Wechselmöglichkeiten
Wem es bei der Entscheidung zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung primär um bessere Leistungen geht, kann auch beide Möglichkeiten kombinieren: mit einer gesetzlichen Grundabsicherung plus privaten Zusatzversicherungen. Viele Versicherte wünschen sich insbesondere bei der Zahnbehandlung, der Krankenhausversorgung und der Versicherung auf Auslandsreisen umfangreicheren Schutz als den der GKV. Freiberufler sollten zudem eine private Krankengeld-Zusatzversicherung erwägen, um Einkommensausfälle im Krankheitsfall auszugleichen.
Da Zusatzversicherungen natürlich den Gesamtbeitrag für die Gesundheitsvorsorge in die Höhe treiben, lohnt sich ein Vergleich mit entsprechenden Tarifen der privaten Krankenversicherung.
Eine Rückkehr aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Wer jünger als 55 Jahre ist, kann zum Beispiel hauptberuflich ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis eingehen (mit einem Einkommen 2021 unterhalb der Versicherungspflichtgrenze von 64.350 Euro brutto p.a.). Eine nebenberufliche Selbständigkeit ist dabei weiterhin möglich. Beratung zu dem Thema bieten auch die Verbraucherzentralen an. Alternativ haben Versicherte der PKV die Möglichkeit in einen kostengünstigeren Tarif, z.B. den Basis-Tarif, zu wechseln, um ihre Krankenkassen-Beiträge zu senken.