Für viele Inhaber eines Architektur- oder Ingenieurbüros stellt sich in den kommenden Jahren die Frage nach einer Nachfolgeregelung. Für junge Planer bietet das die Chance, beim Aufbau der eigenen Selbständigkeit einen großen Schritt nach vorn zu machen. Sie können mit einer Büroübernahme von einem bestehenden Kundennetzwerk und etablierten Arbeitsprozessen profitieren. Doch wie geht man die Suche nach einem geeigneten Kandidaten bzw. Büro am besten an? Und worauf muss man achten, damit die Übergabe nachhaltig erfolgreich ist?
Wem man als Büroinhaber sein Lebenswerk übergeben soll, ist keine leichte Entscheidung. Naturgemäß sieht man sich zunächst mit vielen Fragen und Unsicherheiten konfrontiert. Wichtig ist, sich bei der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger ausreichend Zeit zu lassen, denn ein Inhaberwechsel ist ein langwieriger Prozess. Architekten und Ingenieure sollten sich bereits etliche Jahre vor dem geplanten Ausstieg gedanklich damit befassen: Welche Lösung wünschen Sie sich für die Nachfolgeregelung? Besteht die Möglichkeit, die Unternehmensnachfolge innerhalb der Belegschaft zu klären? Wollen Sie (zunächst) Firmenanteile behalten?
Fehler, die Sie vermeiden sollten
Der häufigste Fehler, den Architekten, Bauingenieure oder Fachplaner bei der Nachfolgeplanung machen, ist: Sie fangen viel zu spät damit an. Statt sich ab Mitte 50 mit dem Thema auseinanderzusetzen, kümmern sie sich erst darum, wenn gesundheitliche oder familiäre Gründe sie dazu zwingen. Findet ein abrupter Wechsel statt, leidet darunter oft das Büro, das sich bis dahin eigentlich auf gutem Kurs befand.
Ein weiterer gängiger Fehler: Büroinhaber unterschätzen die Komplexität einer Übergabe. Es hilft, möglichst strukturiert an das Thema heranzugehen und Hilfestellungen und Erfahrungen anderer zu nutzen. Einen guten Überblick bieten in diesem Zusammenhang die Checkliste für Übergeber der IHK sowie die Checklisten zur Unternehmensnachfolge des BMWi – sowohl für Altinhaber als auch für Interessenten, die ein Ingenieur- oder Architekturbüro übernehmen wollen. Bezüglich der zahlreichen rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Fragen empfiehlt sich eine professionelle Beratung. Erste Anlaufstelle sind hier die Berufskammern oder spezialisierte Unternehmensberater. Existenzgründer können für eine solche Beratung meist Zuschüsse der BAFA erhalten. Auch ein Erfahrungsaustausch mit Kollegen kann helfen, den richtigen Weg in die Zukunft fürs eigene Planungsbüro zu finden.
Den richtigen Nachfolger / Das richtige Planungsbüro finden
Mit der Suche nach Nachfolge-Kandidaten bzw. einem Büro, das man übernehmen möchte, sollte man in seinem eigenen Netzwerk starten. Doch Vorsicht: Gerade, wenn man sich persönlich kennt, fehlt oft die notwendige Objektivität. Beide Seiten sollten sich vorab möglichst sachlich ihre wichtigsten Anforderungen notieren. Dazu gehören nicht nur für finanzielle oder formelle Aspekte wie Kaufpreis, Umsatzzahlen oder der künftige Büroname. Ebenso wichtig sind die „weiche“ Kriterien: Welche fachlichen und menschlichen Qualifikationen braucht Ihr Nachfolger, um das Unternehmen fortzuführen? Welche Werte soll das Büro verkörpern, das Sie übernehmen wollen?
In jedem Fall sollten Sie aufgeschlossen sein und möglichst breit suchen. Einige Landeskammern bieten hierfür Nachfolgebörsen an oder führen eigene Datenbanken, z.B.:
- Nachfolgebörse der Bayerischen Architektenkammer
- Bürovermittlungsbörse der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Darüber hinaus gibt es etliche deutschlandweite oder branchenübergreifende Plattformen, auf denen man suchen bzw. (anonym) inserieren kann. Geeignete Anlaufstellen für Architekten und Ingenieure sind unter anderem:
- Nachfolgebörse für Architekten und Ingenieure
- VBI-Datenbank für Ingenieur- und Planungsbüroübergaben
- Unternehmensbörse nexxt-change.org (inkl. kostenlosem „KMU-Rechner“ für Unternehmensbewertungen)
- DUB Deutsche Unternehmerbörse
- Xing-Gruppe „Nachfolgebörse für Architekten und Ingenieure“
Eine weitere Möglichkeit besteht für Altinhaber darin, ihr Architektur- oder Ingenieurbüro an ein bereits bestehendes Planungsbüro zu verkaufen. Damit übergeben sie ihre Mitarbeiter und Kunden in erfahrene Hände. Und das andere Büro profitiert mit der Übernahme von KnowHow und Wettbewerbsvorteilen.
Den Kaufpreis ermitteln
Will der bisherige Inhaber das eigene Ingenieur- oder Architekturbüro nicht Sohn oder Tochter schenken, muss er einen angemessenen Kaufpreis festlegen. Dieser umfasst zum einen die materiellen Werte wie Mobiliar, EDV-Ausstattung, Software, Fachliteratur etc. (Zeitwert). Wichtiger sind jedoch meist die immateriellen Werte eines etablierten Planungsbüros: Kundenstamm, Ruf und Organisation des Büros sowie die Qualifikation der Mitarbeiter. Das macht die Wertermittlung für das eigene Architektur- oder Ingenieurbüro meist schwierig.
Für die Nachfolger ist in der Regel entscheidend, ob der Umsatz auch nach der Übernahme stabil bleibt. Mitarbeiterbindung und Kundenbeziehungen sollten möglichst wenig unter dem Wechsel leiden, weshalb ausreichend Zeit, eine gute Planung und Einarbeitung wichtig sind.
Der Übergabeprozess: Einarbeitung und Rückzugsplan
Steht der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin fest, sollte gemeinsam ein konkretes Konzept für die Übergabe bzw. Übernahme erstellt werden. Dieses umfasst unter anderem:
- Maßnahmen, um das Büro „fit“ für die Übergabe zu machen
- Kommunikation der Unternehmensübergabe an die Mitarbeiter
- Einarbeitungsplan
- Zeitplan für den Rückzug des Altinhabers aus dem Arbeitsalltag und geschäftlichen Entscheidungen
- Liste aller zu erstellenden, ändernden oder kündigenden Verträge, wie z.B. Kunden-, Kredit- und Mietverträge, Versicherungsverträge und Kaufvertrag (alternativ Schenkungs- oder Rentenvertrag)
- Einführung des Nachfolgers bei Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern
Neben steuerlichen und rechtlichen Fragen spielt somit die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Gerade wenn sich der bisherige Büroinhaber nicht vollständig aus dem Unternehmen zurückzieht, muss klar definiert sein, wie seine Rolle nach der Übergabe aussieht, wer was zu tun hat – und auch was nicht. Zudem darf er sich nicht den notwendigen Veränderungen entgegenstellen, die sein Nachfolger anstoßen möchte.
Was bei der Haftpflichtversicherung zu beachten ist
Auch nach dem Verkauf ihres Büros können Architekten und Ingenieure noch für Schäden haftbar gemacht werden, die aus „ihrer“ Zeit stammen. Wer seine Berufshaftpflichtversicherung kündigt, sollte daher sicherstellen, dass eine zeitlich unbegrenzte Nachhaftung des Versicherers vereinbart ist. Den Vertrag zu beenden und einen neuen abzuschließen empfiehlt sich, um eine klare Trennung zu schaffen. Wird nämlich der Altvertrag fortgeführt, kann die spätere Meldung eines Schadens, den der Vorgänger zu verantworten hat, zu höheren Versicherungsbeiträgen für den Nachfolger führen.
Mitunter kann jedoch eine zeitnahe Kündigung schwierig sein, etwa weil das Büro mitten in einem größeren Projekt steckt und sich die Leistungsphasen nicht sauber trennen lassen. In diesem Fall sollten alter und neuer Eigentümer eine Vereinbarung für den Fall der Fälle treffen.
Wer nach dem Verkauf seines Büros weiterhin beratend oder (ggf. in Teilzeit) freiberuflich tätig sein will, benötigt übrigens auch hierfür zwingend eine Berufshaftpflichtversicherung. In jedem Fall empfiehlt sich ein Beratungsgespräch einem auf Architekten und Ingenieure spezialisierten Fachmakler, um Haftungsfragen und den künftigen Versicherungsschutz der beteiligten Planer zu klären.
Nicht vergessen: die Formalitäten
Eine Unternehmensübergabe bringt nicht zuletzt Reihe notwendiger Formalitäten mit sich. Neben Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern müssen auch zahlreiche Behörden und Institutionen über die Betriebsänderung informiert werden. Zu den wichtigsten gehören:
- Finanzamt
- Arbeitsamt
- Stadt / Gemeinde
- Berufsgenossenschaft
- Berufskammer
- (Betriebliche) Versicherungen
Bei der Übertragung von Grundstücken oder GmbH-Geschäftsanteilen ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Und auch der Weg zur Bank bleibt den wenigsten erspart: Oft sind Kreditverpflichtungen neu zu ordnen, Sicherheiten zurückfordern und Konten oder Daueraufträge zu ändern.
Die Übergabe oder Übernahme eines Ingenieur- oder Architekturbüros ist somit ein langer Weg mit zahlreichen Baustellen. Zögern Sie nicht, auf die Erfahrungen anderer zurückzugreifen, die diesen Weg bereits gegangen sind oder vielfach begleitet haben.