Viele Planungsbüros beschäftigen freie Mitarbeiter auf einer entsprechenden vertraglichen Basis. Allerdings schließt ein solcher Vertrag nicht automatisch aus, dass es sich bei der Beschäftigung in Wahrheit um eine Scheinselbständigkeit des Architekten oder Ingenieurs handeln kann. Eine solche hat sozialversicherungsrechtliche, steuerrechtliche sowie arbeitsrechtliche Folgen vor allem für den Arbeitgeber.
Freie Mitarbeiter sind Subplaner
Aus juristischer Sicht gibt es keinen Status „freier Mitarbeiter“. Architekten und Ingenieure sind entweder angestellt oder selbständig. Freie Mitarbeiter in Ingenieur- oder Architekturbüros sind also eigentlich Subplaner, die unternehmerisch tätig sind und entsprechend für Fehler haften.
Ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht, wird anhand der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses beurteilt. Entscheidend ist, wie die Zusammenarbeit konkret verläuft – und nicht, was das Planungsbüro im Vertrag mit dem Freiberufler vereinbart hat.
Kriterien einer Scheinselbständigkeit
Eine Scheinselbständigkeit wird zum Beispiel bei einer Betriebsprüfung ermittelt oder wenn ein freier Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht klagt, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis feststellen zu lassen.
Zu den wichtigsten Merkmalen einer Scheinselbständigkeit zählt, dass der Freiberufler weisungsgebunden arbeitet und in die Arbeitsorganisation des Architektur- oder Ingenieurbüros eingegliedert ist. Er ist dann nicht frei, eigene unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Konkret zählen dazu u.a. folgende Kriterien:
- Der Auftraggeber schreibt Arbeitsort und Arbeitszeit vor.
- Das Planungsbüro macht mehr Vorgaben zur Art der Ausführung, als gegenüber einem selbständigen Auftragnehmer üblich ist.
- Der freie Mitarbeiter tritt nach außen im Namen des Architekturbüros auf.
- Der Freiberufler nutzt unentgeltlich Arbeitsmaterialien des Auftraggebers (Computer, Plotter, Telefon, Büromaterial etc.).
Wenn die Sozialversicherungsträger oder das Arbeitsgericht ermitteln, ob es sich um eine echte Selbständigkeit handelt, beurteilen sie stets die Gesamtsituation. Es gibt also nicht das eine Merkmal, an dem man eine Scheinselbständigkeit zweifelsfrei erkennen kann. Jedoch gibt es etliche Indizien, die dafürsprechen. Neben den oben genannten Kriterien zählen dazu auch die folgenden Aspekte:
- Der freie Mitarbeiter beschäftigt selbst keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
- Die Tätigkeit des freien Architekten/Ingenieurs erstreckt sich über eine lange Dauer, während der er fünf Sechstel seines Umsatzes durch denselben Auftraggeber erhält.
- Angestellte des Auftraggebers verrichten dieselbe oder eine sehr ähnliche Tätigkeit.
- Der Freiberufler hat dieselbe Tätigkeit zuvor als Angestellter des Auftraggebers verrichtet.
- Der freie Mitarbeiter lässt kein unternehmerisches Handeln erkennen.
Kriterien eines unternehmerischen Auftretens sind beispielsweise ein eindeutiger Außenauftritt in Form von Firmenschildern, Visitenkarten und einer eigenen Website. Darüber hinaus spricht für einen selbständigen Auftragnehmer, wenn er eigene Angestellte beschäftigt und für mehrere Auftraggeber arbeitet. Auch können nur natürliche Personen als scheinselbständig gelten. Bei GmbHs besteht daher das Risiko nicht.
Auswirkungen einer Scheinselbständigkeit
Wird der Freiberufler als scheinselbständig eingestuft, gilt er als sozialversicherungspflichtig, sodass der Arbeitgeber auch rückwirkend noch sämtliche Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung entrichten muss. Dies kann bis zu vier Jahre rückwirkend geschehen (im Fall von Vorsatz sogar bis zu 30 Jahre). Da die fällige Nachzahlung sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile umfasst, summiert sie sich auf rund 40 Prozent der in dieser Zeit gezahlten Vergütung. Hinzu kommen hohe Verzugszinsen. Ein Rückgriff auf den freien Mitarbeiter ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Steuerrechtlich besteht eine gesamtschuldnerische Haftung. Das heißt, dass das Finanzamt ausstehende Lohnsteuerzahlungen entweder beim Mitarbeiter oder dem Ingenieur-/Architekturbüro einfordern kann.
Darüber hinaus kann der vermeintlich freie Mitarbeiter seinen Arbeitnehmerstatus einklagen. Er genießt dann sämtliche Ansprüche eines Festangestellten, vom Urlaubsanspruch über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis hin zum Kündigungsschutz.
Was tun? Freie Mitarbeit absichern
Gegen eine Scheinselbständigkeit sichert man sich am wirkungsvollsten dadurch ab, dass man bei Vertragsschluss dem Mitarbeiter entsprechende Fragen beispielsweise nach seinem Geschäftskonzept stellt und dies festhält. Auch die Frage der Haftpflichtversicherung sollte in diesem Zusammenhang geklärt werden, denn ein selbständiger Auftragnehmer muss sich selbst absichern. Zwar ermöglichen einige Versicherer die Mitversicherung freier Mitarbeiter, doch sind in diesem Fall etliche Vorgaben zu beachten.
Beiden Seiten sollte klar sein, dass der freie Ingenieur bzw. Architekt seine Arbeit (soweit es die Aufgabe zulässt) frei gestaltet und auch Aufträge ablehnen kann. Die oben genannten Kriterien geben weitere Hinweise darauf, was das Planungsbüro bei der Zusammenarbeit vermeiden sollte.
Bei Zweifeln am Status eines freien Mitarbeiters können Architektur- und Ingenieurbüros das Statusfeststellungsverfahren der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund nutzen. Deren Entscheidung ist für sämtliche Sozialversicherungsträger verbindlich.