Mehr Wohnraum schaffen – diese Forderung hört man seit etlichen Jahren ständig und überall. Doch was tun, wenn gerade in den wachsenden Städten Bauland knapp ist und möglichst wenig neue Flächen versiegelt werden sollten? Eine schon länger kursierende Idee erfährt durch die Corona-Pandemie und ihr Folgen Aufwind: Büroflächen in Wohnungen umzuwandeln.
Beispielprojekte für erfolgreiche Umbauten in der Vergangenheit gibt es einige: etwa die Umwandlung des Thyssen Trade Centers in Düsseldorf zum Wohnprojekt „Living Circle“ oder das Projekt Althan Park in Wien. Im Vergleich zum Wohnungsneubau fallen solche Umnutzungen von Bürogebäuden allerdings kaum ins Gewicht. Das mag der (vor Corona) niedrigen Büro-Leerstandsquote geschuldet sein und auch baurechtlichen Hürden. Wird sich das bald ändern?
Leerstand bei Büroflächen steigt deutlich
Die Aussagen der Unternehmen, ob oder wie stark sie ihre Büroflächen künftig reduzieren wollen, unterscheiden sich stark. Fest steht jedoch, dass Deutschland beim Homeoffice Nachholbedarf hat: Lag der Anteil der Home- oder Mobile-Office-Arbeit hierzulande vor der Pandemie bei 12 Prozent, verzeichneten Frankreich und die Niederlande bereits 25 bzw. 30 Prozent. Eine deutliche Sprache spricht zudem der wachsende Leerstand. Bei Büros ist er in den sieben größten Städten deutlich gestiegen, von rund 3 Prozent 2019 auf 4,5 Prozent im Herbst 2021. Dieses Jahr dürfte die 5-Prozent-Marke überschritten werden, prognostiziert das Beratungsunternehmen JLL.
Da passt es gut, dass die aktuelle Bundesregierung eine stärkere Nutzungsmischung in den Städten anstrebt und die Innenentwicklung stärken will. IVD-Präsident Michael Schick fordert, hierfür das Planungsrecht und die Bauordnungen der Länder zu vereinfachen und auch auf den Umbau des Gebäudebestands auszurichten. Derzeit seien sie noch zu sehr auf den Neubau ausgelegt, was Umbau und Umnutzungen unnötig erschwere.
Potential für 235.000 Wohnungen bis 2025
Das Potential für die Umwandlung von Büros zu Wohnraum erscheint groß. Laut einer Studie des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE für zeitgemäßes Bauen ließen sich langfristig bis zu 40% der Büroarbeitsplätze auch ins Homeoffice verlegen. Kurzfristig – für die Zeit bis 2025 – haben die Wissenschaftler ein Potential von 235.000 Wohnungen berechnet, die durch die Umnutzung geeigneter Büroflächen entstehen könnten.
Andere Prognosen sind da vorsichtiger. So geht etwa der Wirtschaftsverband ZIA davon aus, dass die Digitalisierung und stärkere Nutzung des Homeoffice mittel- bis langfristig 10% der bisherigen Büroflächen überflüssig machen. Doch auch das ist bei deutschlandweit 350 Millionen m² Nutzfläche in Büros und Verwaltungsgebäuden eine ganze Menge. Laut ARGE-Studie lassen sich davon 30 % mit geringem baulichen Aufwand in Wohnungen umwandeln. Und das zu vergleichsweise niedrigen Kosten: 1.108 Euro kostete der Büroumbau bislang im Schnitt pro Quadratmeter.
Umwandlung von Büros günstiger als Altbausanierungen – bislang
„Die Median-Kosten liegen bei den Umbauprojekten ca. 2/3 günstiger als die derzeit festgestellten Kosten im Neubau von Wohnraum in deutschen Großstädten“, heißt es in der Studie, „und ca. 50 % günstiger als die notwendigen Vollmodernisierungskosten bei – in der Regel aufwändigen – Anpassungen nicht mehr zeitgemäßer Wohnungen (Wohnungszuschnitte, mangelnde Barrierefreiheit, mangelnder Schallschutz, Anpassung der Energieeffizienz etc.) an zukunftsfähigen Wohnraum.“
Neben den niedrigen Kosten sprechen auch die Lage und Ausstattung vieler Büroimmobilien für eine Umnutzung: innerstädtisch, bereits erschlossen, oft mit hohen Standards (etwa durch vorhandene Fahrstühle). Andererseits eignet sich nicht jedes Gebäude für eine Wohnnutzung, viele Aspekte sind zu berücksichtigen. Wie lärmintensiv ist die Umgebung? Sind geeignete Treppenhäuser, Versorgungsanschlüsse und Abwasserleitungen vorhanden? Sind größere Änderungen an der Gebäudehülle notwendig? Wie steht es um den Brandschutz?
Hürden für die Umnutzung zu Wohnraum
Dass die Kosten der Umbauprojekte so niedrig sind, dürfte auch daran liegen, dass bislang nur die am besten geeigneten Büroobjekte ausgewählt wurden, um neue Wohnungen zu schaffen. Sollen im großen Maßstab Büros zu Wohnraum umgenutzt werden, dürften die Hürden höher liegen. Für Umnutzungen etwa in Gewerbe- und Industriegebieten müssen zunächst Bebauungspläne geändert werden; das kostet Zeit, erhöht die Vorlaufkosten und klappt längst nicht immer.
An verkehrsbelasteten Standorten sind aufwendige Lärmschutzmaßnahmen notwendig. Ältere Gebäude müssen in der Regel aufwändig energetisch saniert werden. Und dann bleibt noch die Frage, wie teuer die jeweiligen Besitzer ihre Immobilien verkaufen wollen beziehungsweise welche Rendite sie bei einer Umnutzung erwarten. All dies kann die Schaffung neuen Wohnraums in ehemaligen Büroimmobilien verteuern – oder letztlich ganz verhindern.
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