Welche Stundensätze kann ein Ingenieur- oder Architekturbüro für seine Aufträge berechnen? Was ist erlaubt und was ist wirtschaftlich? Verbindliche Vorgaben gibt es für Zeithonorare schon seit der HOAI 2009 keine mehr. Planer sind damit weitgehend frei in der Gestaltung der Höhe ihres Stundensatzes und müssen ihn lediglich in Textform mit dem Bauherrn vereinbaren. Seit der HOAI 2021 rechnen Architekten, Bauingenieure und Fachplaner vermutlich häufiger nach zeitlichem Aufwand ab als früher. Doch wie hoch sollte man den eigenen Stundensatz ansetzen?
Verbände und Kammern veröffentlichen zwar gelegentlich Richtwerte, doch passen diese nicht zwangsläufig für das eigene Büro. Der richtige Stundensatz variiert stark, abhängig von Größe, Spezialisierung und Kostenstruktur des Planungsbüros. Erfahren Sie im Folgenden, wie Sie Ihre Stundensätze richtig berechnen und an welchen Werten Sie sich orientieren können.
Honorare müssen Gesamtkosten des Büros abdecken
Da Planungsbüros Dienstleistungsunternehmen sind, sind der größte Teil ihrer Ausgaben Personalkosten – im Schnitt satte drei Viertel der gesamten Büroausgaben. Die Gehaltsstruktur hat somit den größten Einfluss auf die eigenen Stundensätze. Doch auch das restliche Viertel – insbesondere Sachkosten von der Büromiete bis zu den notwendigen Versicherungen – muss der Stundensatz abdecken.
Leider reicht es nicht, einfach die Ausgaben zu addieren und auf die geleisteten Arbeitsstunden herunterzubrechen. Denn längst nicht jede Arbeitsstunde können Architekten und Ingenieure ihren Auftraggebern auch in Rechnung stellen: „Unproduktive“ Aufgaben wie Akquise, Büroorganisation oder internes Controlling machen durchschnittlich rund 35 Prozent der gesamten Arbeitszeit eines Planungsbüros aus (bei Einzelkämpfern eher weniger, in großen Büros dafür mehr). Diese Aufwände müssen anteilig auf die Projektstundensätze umgelegt werden, um kostendeckend zu wirtschaften. Hierbei hilft der Gemeinkostenfaktor (mehr dazu unten).
Folgende Kosten müssen Bauingenieure, Fachplaner und Co. in ihrer Kalkulation berücksichtigen:
- Inhabergehälter und Personalkosten (Bruttogehälter inkl. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung bzw. der Beiträge zum Versorgungswerk)
- Personalbezogene Zusatzkosten (Fortbildung, Kammerbeiträge)
- Sachkosten (Miete / Raumkosten, Leasinggebühren, Büroausstattung, Telekommunikation u.a. Verwaltungskosten, Marketing, Versicherungen, Gebühren etc.)
- Abschreibungen (= jährliche Wertminderung, z.B. für das Bürogebäude, Inventar und EDV-Einrichtungen)
- Zinsaufwendungen für Finanzierungen
Nebenkosten wie Reisekosten oder Vervielfältigungen werden in der Regel separat mit dem Auftraggeber vereinbart und abgerechnet.
So berechnen Architekten und Ingenieure Ihren Stundensatz
Üblicherweise berechnen größere Architektur- und Ingenieurbüros unterschiedliche Stundensätze für verschiedene Beschäftigtengruppen, z.B. Geschäftsführer/Inhaber, Projektleiter, Projektmitarbeiter, Zeichner etc. Der Preis lässt sich jeweils wie folgt berechnen:
[Hinweis: Kompliziert wird es, wenn eine Mitarbeitergruppe einen hohen Anteil ihrer Zeit für administrative Tätigkeiten, Akquise oder interne Projekte verwendet. Dadurch sinkt die Zahl ihrer verkaufbaren Projektstunden und der Stundensatz steigt. Ist er zu hoch, lässt er sich kaum gegenüber Kunden durchsetzen. In diesem Fall ist eine Korrektur notwendig, zum Beispiel indem ein Teil dieses Gehalts den Gemeinkosten zugerechnet wird.]
Wer es sich einfacher machen möchte, kann alternativ den Stundensatzrechner des AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.) verwenden. Dieser rechnet pauschal mit einem Anteil von 75% produktiven Stunden plus einem Tag Büroarbeit pro Monat. Als Gemeinkostenfaktor sind Durchschnittswerte je nach Bürogröße hinterlegt.
Wie ermittelt man den Gemeinkostenfaktor?
Der Gemeinkostenfaktor ist bürospezifisch und beschreibt das Verhältnis zwischen den Personalkosten eines Projektmitarbeiters und den Gesamtkosten des Büros. Er berücksichtigt somit all jene Kosten, die nicht direkt Projekten zugerechnet werden können, also auch allgemeine Sachkosten und „unproduktive“ Tätigkeiten. Aktuell liegt er laut AHO im Durchschnitt bei 2,7. In Ein-Mann-Büros liegt der Gemeinkostenfaktor meist deutlich niedriger und in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter eher höher.
Um den Gemeinkostenfaktor für das eigene Büro zu berechnen, lässt sich die folgende Formel verwenden:
Bei Planungsbüros macht die notwendige Berufshaftpflichtversicherung einen erheblichen Anteil der Gemeinkosten aus. Wer hier eine Lösung mit gutem Preis-Leistungsverhältnis sucht, sollte sich einen Marktüberblick verschaffen und die Angebote möglichst vieler Versicherer vergleichen.
Angemessene Honorare erzielen
Egal ob Planer ihren Stundensatz detailliert berechnen oder sich an Durchschnittswerten orientieren: Freie Architekten, Bauingenieure und Fachplaner sollten sich ebenso wie Auftraggeber bewusst sein, dass gute Planung angemessene Honorare erfordert. Planungsleistungen haben ihren Wert. Sie erfordern regelmäßige Fortbildung, eine technische Infrastruktur und auch eine umfassende Berufshaftpflichtversicherung. All dies rechtfertigt auskömmliche Stundensätze.
Leider gibt es hierfür inzwischen weniger Richtlinien als früher. Einige Kammern verzichten seit der HOAI 2021 darauf, Empfehlungen zu nennen, da die Vertragsparteien Honorare ja nun eigenständig und individuell verhandeln sollen. Dennoch gibt es weiterhin etliche Orientierungshilfen.
Richtwerte für Stundensätze von Architekten, Bauingenieuren und Fachplanern
Das Bayrische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr zum Beispiel nennt seit Januar 2020 folgende Stundensätze zur Orientierung:
- Auftragnehmer: 117 €
- Mitarbeiter: 82 €
- Sonstige Mitarbeiter: 61 €
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde gibt als Richtwerte für Vergabeverfahren leicht niedrigere Sätze an:
- Projektleiter: 112 €
- Technische Mitarbeiter (Ingenieure FH und Uni): 80 €
- Sonstige Mitarbeiter (z.B. Technische Zeichner): 57 €
Die Architektenkammer und die Ingenieurkammer Bremen hingegen empfehlen folgende Stundensätze als „absicherndes Mindestmaß“:
- Inhaber/Abteilungsleiter: 133 €
- Projektleiter: 115 €
- Projektingenieur: 86 €
- Techniker/Zeichner/sonstige MA: 61 €
Die Architektenkammer Berlin nennt folgende Preisspannen als „angemessene Stundensätze“:
- Auftragnehmer: 132 – 198 €
- Projektleiter: 100 – 150 €
- Architekt: 76 – 114 €
- Technischer Mitarbeiter: 60 – 90 €
- Bauzeichner: 48 – 72 €
Die Bayrische Ingenieurkammer gibt ihren Mitgliedern einige Vergleichswerte für konkrete Ingenieurleistungen an die Hand, z.B.:
- Fachgutachten (z.B. Baugrund): 72 – 135 €
- Software-Ingenieur Gebäudeautomation: 100 – 150 €
- Materialprüfung (BAM): 120 – 130 €
- Brandschutz (TÜV/Prüfsachverständiger): 96 – 110 €
- Ingenieur Deutsche Bahn: 150 – 170 €
Welcher Stundensatz üblich und angemessen ist, variiert nicht nur regional und je nach Fachgebiet. Wer sein eigenes Zeithonorar festlegt, sollte auch den Schwierigkeitsgrad der Planungsaufgabe, die Berufserfahrung der Mitarbeiter und das Renommee des eigenen Büros berücksichtigen.