Mängel sind bei vielen Bauprojekten an der Tagesordnung. Architekten und Bauingenieure müssen oft schon während der Bauüberwachung Mängelanzeigen bzw. Mängelrügen schreiben. Spätestens bei der Abnahme ist das Thema unumgänglich.
Doch wann genau sind Mängelrügen notwendig? Wie stellen Planer sie richtig? Und was ist zu tun, wenn die Mängelbeseitigung trotzdem nicht vorankommt? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Umgang mit Baumängeln:
Wann liegen Baumängel vor?
Auftraggeber haben das Recht, ein mangelfreies Werk zu erhalten. Ein Baumangel liegt immer dann vor,
- wenn die Sicherheit des Gebäudes beeinträchtigt ist,
- wenn die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes beeinträchtigt ist,
- wenn die erbrachten Leistungen von vertraglichen Vorgaben abweichen (maßgeblich sind neben dem Bauvertrag auch die Pläne der Architekten und Fachplaner) oder
- überholte Techniken und Bauweisen angewandt wurden.
Fehler in der Ausführung führen ebenso zu Baumängeln wie die Verwendung falscher oder mangelhafter Materialien. Oft liegt die Ursache auch in einer unzureichenden Koordination der verschiedenen Planer und Gewerke. Auch für Architekten und Planungsbüros besteht daher ein Haftungsrisiko.
Welche Mängel sind bei der Bauüberwachung zu erkennen?
Um möglichst alle Mängel zu erkennen, reicht es nicht, das fertige Bauwerk bei der Abnahme gründlich zu begutachten. Vorher braucht es eine gute Bauüberwachung, denn rund die Hälfte der Baumängel treten bereits im Rohbau auf. Wird hier die Kontrolle versäumt, verdecken die nachfolgenden Gewerke die fehlerhaften Leistungen, so dass die Mängel bei der Schlussabnahme meist nicht mehr zu erkennen sind. Sie zeigen sich oft erst Jahre später und verursachen kostspielige Folgeschäden. Besonders häufig sind Feuchteschäden, hervorgerufen z.B. durch eine mangelhafte Gebäudeabdichtung, fehlende Belüftung, Wärmebrücken oder austretendes Leitungswasser.
Besondere Aufmerksamkeit sollten Bauingenieure bzw. Architekten grundsätzlich den folgenden vier Bereichen widmen, auf die die meisten Baumängel entfallen:
- Rohbau / Statik
- Innenputz / Estrich
- Gebäudeabdichtung
- Wärmedämmung
Je komplexer eine Bauleistung ist, desto größer ist das Mangelrisiko und desto intensiver sollte sie überwacht werden. Besichtigungstermine sind anzusetzen, bevor diese Leistungen durch nachfolgende Gewerke verdeckt werden.
Wie stellt man eine Mängelrüge oder Mängelanzeige?
Entdecken Bauleiter einen Mangel, sind sie verpflichtet, diese zeitnah anzuzeigen. Die Mängelrüge muss schriftlich erfolgen und an den verantwortlichen Bauunternehmer gerichtet werden (nicht an den Subunternehmer). Die Beschreibung sollte so konkret wie möglich sein:
- Um welche Art von Mangel geht es?
- Wo genau befindet er sich?
- Wie umfassend ist der Mangel?
Die Ursache muss bei der Mängelanzeige nicht benannt werden: Der Bauunternehmer ist selbst dafür verantwortlich, die Ursache zu finden, um den Mangel zu beseitigen.
Die Mängelrüge sollte dem ausführenden Unternehmen eine angemessene Frist setzen und hierfür ein konkretes Datum oder einen genauen Zeitraum benennen. Erfolgt die Nachbesserung nicht bis zum Fristende, kann man das Bauunternehmen auf mögliche Folgen hinweisen, etwa eine Kündigung oder Selbstvornahme. Ein in der Praxis oft sehr wirksames Mittel ist die Kürzung der nächsten Abschlagszahlung, in der Regel um das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten („Druckzuschlag“).
Eine Mängelrüge sollte somit mindestens folgende Informationen enthalten:
- Datum, Bauherr, Auftragnehmer, das Projekt sowie der betroffene Vertrag
- Beschreibung und Nachweis des Baumangels
- Aufforderung zur Nachbesserung mit angemessener Frist
- Ggf. Hinweis auf Folgen, falls Mangelbeseitigung nicht bis Fristende erfolgt
Bei BGB-Verträgen spricht man von Mängelrügen, bei VOB-Verträgen von Mängelanzeigen. An sie gelten jedoch im Wesentlichen die gleichen Anforderungen. Der wichtigste Unterschied: Laut VOB hat der Bauherr schon vor der Abnahme Mängelrechte. Zeigt er bereits während der Bauausführung Mängel an, kann er sie nach Ablauf der Frist selbst beheben lassen, auf Kosten des Auftragnehmers. BGB-Verträge bieten diese Möglichkeit nicht. Will der Bauherr hier schon vor Fertigstellung und Abnahme gegen Baumängel vorgehen, kann er unter Umständen eine Teilabnahme einfordern oder den Vertrag kündigen.
Unabhängig vom geltenden Vertragsrecht sollten bauüberwachende Architekten und Bauingenieure Mängel stets sofort schriftlich anzeigen (also eine Mängelrüge bzw. Mängelanzeige erstellen) und dokumentieren. Damit entlasten sie sich und können im Streitfall nachweisen, dass sie ihrer Überwachungspflicht nachgekommen sind.
Wie können Architekten und Ingenieure ihre Haftungsrisiken minimieren?
Mängel rechtssicher zu dokumentieren ist unerlässlich, um als Planer die eigenen Haftungsrisiken zu minimieren. Dazu gehören eine genaue Beschreibung, Fotos und ggf. Pläne. Mittlerweise gibt es zahlreiche Apps zur digitalen Mängelerfassung und -dokumentation. Je größer die Zahl der am Bau Beteiligten ist, desto wichtiger sind elektronische Hilfsmittel. Sie können Bauprozesse genau abbilden und erleichtern es, Baumängel den richtigen Verantwortlichen zuzuordnen.
Ein gutes Mängelmanagement gehört ebenso zur Bauüberwachung wie der Nachweis regelmäßiger Baubegehungen. Denn kommt es später zum Streit wegen eines Baumangels oder -schadens, müssen Architekten und Bauingenieure nachweisen können, dass sie die Ausführung ordnungsgemäß überwacht haben. Andernfalls haften sie gemeinsam mit dem Bauunternehmer. Für den Fall der Fälle benötigen freiberufliche Planer und Planungsbüros eine gute Berufshaftpflichtversicherung mit einer ausreichenden Deckungssumme.
Pflichten des Architekten oder Bauingenieurs
Eine Situation, die viele Ingenieure und Architekten bereits erlebt haben: Baufirmen oder Handwerker weigern sich, die gerügten Mängel zu beseitigen, oder ignorieren sie schlicht. Hilft auch eine mehrfache Mängelrüge bzw. Mängelanzeige nicht, müssen die Planer den Bauherrn schriftlich auf seine Rechte und die erforderlichen Schritte hinweisen. Alles Weitere liegt dann beim Auftraggeber: Er muss entscheiden, welche der rechtlichen Möglichkeiten (z.B. Selbstvornahme, Kündigung oder Schadenersatzklage) er nutzen möchte.
Abnahme verweigern oder Honorar einbehalten
Ist das Bauvorhaben schließlich abgeschlossen, steht die Abnahme an. Hierbei ist es besonders wichtig, die erbrachten Leistungen gründlich auf Mängelfreiheit zu kontrollieren. Denn ist das Abnahmeprotokoll erst einmal unterschrieben, können bereits sichtbare Mängel nicht mehr gerügt werden. Nur für „verdeckte Mängel“, die bei der Abnahme nicht ersichtlich waren, hat der Bauherr dann noch einen Gewährleistungsanspruch.
Wie mit den entdeckten Mängeln umzugehen ist, hängt von deren Ausmaß ab:
- Bei wesentlichen Baumängeln kann und sollte der Bauherr die Abnahme verweigern. Die Baufirma ist dann per Mängelrüge / Mängelanzeige zur Nachbesserung aufzufordern.
- Bestehen lediglich kleinere Mängel, hat das Bauunternehmen Anspruch auf Abnahme und kann die Schlussrechnung stellen. Im Abnahmeprotokoll sollten die noch offenen Mängel eindeutig festgehalten werden. Bis zur Nachbesserung darf der Bauherr das Doppelte des Betrages, der zur Mängelbeseitigung nötig wäre, vom Honorar einbehalten.