Kaum ein Bauvorhaben kommt ohne Änderungen aus. Und so werden Bauherren und ihre stellvertretenden Architekten und Bauingenieure regelmäßig mit Nachträgen ausführender Unternehmen konfrontiert. Obwohl die Nachtragsprüfung zum Baustellenalltag gehört, herrscht bei vielen Unsicherheit, wie weit die Pflichten des Planers hier reichen. Muss der Architekt prüfen, ob ein Nachtrag gerechtfertigt ist? Hat der Bauüberwacher Anspruch auf zusätzliches Honorar, wenn er Nachträge bearbeitet?
Zu einem Nachtrag kommt es, wenn der Bauherr geänderte oder zusätzliche Leistungen beauftragt, die nicht Bestandteil des Hauptvertrags sind. Unklarheiten lassen sich jedoch selten mit einem kurzen Blick ins Leistungsverzeichnis aus der Welt räumen. Bauverträge sind komplex, daher gehen die Meinungen bei Bauvorhaben bisweilen auseinander: „Das steht so nicht im Vertrag!“ versus „Ist doch klar, dass das dazugehört!“
Nachträge rechtlich prüfen? Keine Leistung des Bauüberwachers
Oft ruht die Bautätigkeit, bis geklärt ist, ob ein Nachtrag begründet. Somit ist Eile geboten, wenn Architekten und Ingenieure Nachtragsangebote prüfen. Allerdings sollten sie dabei ihre Leistungsgrenzen kennen, um keine unnötigen Haftungsrisiken einzugehen. Zum einen müssen sie mit Regressforderungen ihrer Auftraggeber rechnen, wenn sie unberechtigte Nachträge freigeben. Seinen Schadenersatzanspruch kann der Bauherr z.B. mit dem Honorar des Architekten verrechnen. Zum anderen dürfen Planer Bauherren nicht rechtlich beraten, weil sie sonst gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen.
Architekten und Ingenieure müssen daher eine rechtliche Prüfung von Nachträgen vermeiden. Diese ist Sache des Auftraggebers. Hat ein Architekt Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Nachtrags, sollte er dem Bauherrn empfehlen, anwaltlichen Rat einzuholen. Damit erfüllt er seine eigene Beratungspflicht.
Planer und Bauüberwacher selbst sind (nur) für die fachliche Prüfung verantwortlich: Sind die Nachtragsangebote aus technischer und preislicher/kalkulatorischer Hinsicht gerechtfertigt? Baufachliche Nachträge sind:
- Nachträge wegen Mengenveränderungen (z.B. wenn der Mengenbedarf bei der Ausschreibung zu gering eingeschätzt wurde)
- Nachträge wegen unstrittiger zusätzlicher Leistungen, für die es bislang keine Leistungsvereinbarung gibt
- Nachträge, die wegen einer unvollständigen Leistungsbeschreibung notwendig sind
Den Bauherrn haben Architekten und Bauingenieure stets über die möglichen finanziellen und zeitlichen Konsequenzen der Nachträge zu informieren.
Aufgaben des Architekten/Ingenieurs laut HOAI
Viele Bauverträge sehen vor, dass ausführende Unternehmer erst dann geänderte oder zusätzliche Bauleistungen erbringen dürfen, wenn sie hierfür einen schriftlichen Auftrag erhalten. Wenn Handwerker also auf der Baustelle mit Nachträgen loslegen, sollte der überwachende Ingenieur oder Architekt zunächst klären, ob der Auftraggeber sie damit auch beauftragt hat.
Die Aufgaben eines Bauleiters sind bei der Nachtragsbearbeitung in der Regel die gleichen, die er auch bei der sonstigen Bauüberwachung erbringt. Gemäß HOAI zählen dazu insbesondere folgende Aufgaben:
- Der Bauüberwacher muss im Bauverlauf sowie bei der Abnahme überprüfen, ob die Nachtragsleistung dem Auftrag und der Baugenehmigung entspricht, auch ob sie einschlägige Vorschriften und anerkannte Regeln der Technik einhält.
- Ergeben sich durch einen Nachtrag Änderungen im Bauablauf, muss der Bauingenieur/Architekt den Terminplan fortschreiben und die Einhaltung der geänderten Abläufe, Termine und Fristen kontrollieren.
- Zur Rechnungsprüfung gehört die Prüfung auf fachtechnische und rechnerische Richtigkeit. Enthält das Nachtragsangebot keine Pauschale oder Einheitspreise, so erfolgt die Preiskalkulation meist nach den Regeln des Hauptvertrags. Bei öffentlichen Auftraggebern müssen Unternehmen hierfür ihre Urkalkulation offenlegen – nur so kann der Architekt überprüfen, ob das Unternehmen für den Nachtrag tatsächlich die gleichen Grundlagen (für Kalkulationslohn, Gemeinkosten, Gewinn und Wagnis) verwendet hat.
- Die Ergebnisse der Rechnungsprüfung sind mit den Auftragssummen abzugleichen und aufzulisten sowie in der Kostenfeststellung zu berücksichtigen.
Honorar für Nachtragsbearbeitung
Laut HOAI 2021 für Gebäude, Innenräume und TGA zählt die Bearbeitung von Nachträgen zum Teil zu den Grundleistungen: In der LPH 7 findet sich das „Prüfen und Werten der Angebote zusätzlicher und geänderter Leistungen der ausführenden Unternehmen und der Angemessenheit der Preise“, in der LPH 8 der „Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschließlich Nachträgen“. Bedeutet das, dass Architekten und Ingenieure alle Nachträge bearbeiten müssen, ohne für den zusätzlichen Aufwand auch zusätzliches Honorar fordern zu können?
Diese Frage haben etliche Experten und Gerichte verneint. Schließlich regelt §10 HOAI, dass Planern bei Planungsänderungen, die der Auftraggeber veranlasst hat, ein entsprechendes Änderungshonorar zusteht. Und in der HOAI für Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen ist die Nachtragsprüfung ohnehin als Besondere Leistung aufgeführt. Die oben genannten Grundleistungen können sich daher lediglich auf solche Leistungen beziehen, die bereits im Bauprogramm des Entwurfs enthalten waren oder bei der Ausschreibung hätten bekannt sein müssen.
Das heißt: War die eigene Planung mangelhaft, kann der Planer für notwendige Änderungsleistungen – und dazu zählen auch Nachtragsprüfungen – kein zusätzliches Honorar verlangen. Ist beispielsweise die Ausschreibung unvollständig und daher ein baufachlicher Nachtrag notwendig, zählt dessen Prüfung zu den Grundleistungen des Ingenieurs/Architekten. Für die Bearbeitung anderer, „unverschuldeter“ Nachträge können Planer und Ingenieurbüros in der Regel ein Zusatzhonorar verlangen.
Wie dieses Honorar zu berechnen ist, darüber sollten sich beide Parteien möglichst vorab einigen und das Ergebnis in Textform festhalten (auch wenn Architekten Nachträge sogar ohne Honorarvereinbarung abrechnen dürfen). Bei zusätzlichen Leistungen macht es Sinn, die anrechenbaren Kosten entsprechend zu erhöhen. Bei Planungsänderungen ist auch eine Vergütung für wiederhole Planungsleistungen denkbar. Alternativ können Bauherr und Auftragnehmer vereinbaren, den Mehraufwand auf Zeithonorarbasis abzurechnen.
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