Verzögert sich ein IT-Projekt stark oder bleibt der angestrebte Erfolg aus, droht den beauftragten IT-Experten ein herber Verlust: im Worst Case der Rücktritt des Kunden vom Projektvertrag. Wann darf ein Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten und was für Folgen hat dies für das IT-Unternehmen oder den Freiberufler?
Zu Beginn eines IT-Projekts ist die Stimmung meist noch gut: Der Kunde hat viele Ideen, die er schnell umgesetzt sehen möchte. Der IT-Dienstleister ist zuversichtlich, die Anforderungen erfüllen zu können. Auf ein umfangreiches Lasten- und Pflichtenheft verzichten beide oft. Schließlich sind zu Projektbeginn noch viele Details offen, vor allem wenn der Auftraggeber agil arbeitet. Oder beide Seiten glauben, es sei ja eh klar, wie die Umsetzung laufen solle, und wollen möglichst wenig Aufwand in den IT-Projektvertrag stecken.
Wenn das Projekt nicht läuft wie erhofft
Doch die anfängliche Euphorie weicht im Projektverlauf oft den üblichen Problemen: Beide Seiten hatten doch unterschiedliche Vorstellungen von der Zusammenarbeit; der Auftraggeber stellt neue Anforderungen, will diese jedoch nicht als Mehraufwand vergüten; und bei unvorhergesehenen Hindernissen schieben sich IT-Dienstleister und Auftraggeber gegenseitig die Schuld zu.
Insbesondere bei der Einführung und Anpassung von Unternehmens-Software kommt es vor, dass unzufriedene Kunden irgendwann das Projekt aufgeben und rückabwickeln wollen. Aber auch bei Webdesign und Entwicklungsprojekten droht Streit, wenn subjektive Geschmacksfragen im Vordergrund stehen oder schlicht zu wenig kommuniziert wird. Welche Möglichkeiten der Auftraggeber dann hat, das Projekt zu beenden, hängt vor allem vom Vertrag ab.
Kein Rücktritt vom Dienstvertrag
Hat der IT-Experte darin keinen konkreten Erfolg versprochen, sondern reines Tätigwerden, handelt es sich um einen Dienstvertrag. Zum Beispiel wenn die Projektverantwortung beim Auftraggeber liegt und ein Freiberufler lediglich Unterstützung bei der Software-Entwicklung zugesagt hat. Ein Vertragsrücktritt wegen mangelhafter Leistung ist dann nicht möglich. Der Kunde kann den Vertrag stattdessen kündigen und muss die bisher erbrachten Leistungen vergüten (abzüglich ersparter Aufwendungen).
Doch Vorsicht: Auch wenn der Vertrag mit „Dienstvertrag“ überschrieben ist, kann es sich zumindest in Teilen um einen (versteckten) Werkvertrag handeln. Landet der Streit vor Gericht, wird der Richter genau prüfen, ob die zugesagten Leistungen nicht doch Arbeitsergebnisse darstellen. Oft stellen IT-Projektverträge auch Mischverträge dar.
Werkvertrag: Gründe für den Rücktritt
Bei einem Werkvertrag wird ein abnahmefähiger Erfolg vereinbart, zum Beispiel die Entwicklung oder Anpassung und Installation einer Software. Je genauer der geschuldete Erfolg bei Vertragsschluss beschrieben ist, desto besser. Denn im Konfliktfall wird die vertraglich vereinbarte Leistung („Soll“) mit der erbrachten Leistung („Ist“) abglichen, um festzustellen, ob tatsächlich Mängel vorliegen. Wenn ja, kann der Kunde eine Nachbesserung fordern. Vom Vertrag zurücktreten darf er in der Regel erst, wenn er dem IT-Dienstleister zweimal eine Frist gesetzt hat, um Mängel zu beseitigen, und diese erfolglos verstrichen sind.
Ein IT-Projekt kann aus den unterschiedlichsten Gründen scheitern. Neben technischen Schwierigkeiten, die der IT-Experte nicht vorhergesehen hat, spielt oft unklare Projektziele, unrealistische Zeitvorgaben oder mangelnde Kommunikation eine Rolle.
Auch wenn das Softwarehaus oder der Webdesigner zeitlich im Rückstand ist, kann dies zu einem Vertragsrücktritt des Kunden führen. Ein hohes Risiko sind vertraglich zugesagte Fertigstellungstermine oder fixe Meilensteine. Auch hier muss der Kunde zunächst (erfolglos) Fristen setzen, bevor vom IT-Projektvertrag zurücktreten darf.
Was IT-Unternehmen dagegen tun können
Droht ein Rücktritt, sollten IT-Dienstleister und Freiberufler prüfen, was diesem widersprechen könnte, zum Beispiel:
- Liegen tatsächlich Mängel vor? (Abgleich mit Pflichtenheft, Auftrag o.ä.)
- Trägt der Auftraggeber eine Mitschuld, zum Beispiel durch mangende Mitwirkung?
- Hat der Auftraggeber die Verzögerung selbst (mit)verursacht, etwa durch nachträglich geänderte Anforderungen?
- Ist die gesetzte Frist angemessen (abhängig von der Komplexität der geschuldeten Leistung)?
Folgen eines Vertragsrücktritts
Tritt ein Auftraggeber vom IT-Projektvertrag (rechtmäßig) zurück, müssen alle bereits gewährten Leistungen rückabgewickelt werden – so als hätte es das Projekt nie gegeben:
- Der Auftragnehmer zahlt eventuelle Vorschüsse zurück.
- Gestellte Rechnungen werden storniert.
- Der Auftraggeber gibt schon erhaltene, nicht verwendbare Software oder andere Werkleistungen zurück.
Dem IT-Unternehmer entgehen durch den Vertragsrücktritt nicht nur Einnahmen. Er bleibt auch auf etwaigen Personal-, Material- und Verwaltungskosten sitzen. Gerade bei größeren Projekten können die finanziellen Folgen für Selbständige und Mittelständler existenzbedrohend sein. Selbst wenn der IT-Experte überzeugt ist, im Projekt alles richtig gemacht zu haben, drohen hohe Einbußen, da viele sich auf einen Vergleich einlassen. Ein Rechtsstreit dauert oft mehrere Jahre und ist mit viel Unsicherheit und hohen Kosten verbunden. Um dem vorzubeugen, einigen sich die Konfliktparteien in 70% aller Fälle auf einen Vergleich, bei dem beispielsweise nur ein Teil der Leistung bezahlt wird.
Vorbeugende Maßnahmen
Wer einem Rücktritt vorbeugen möchte, sollte schon bei Vertragsabschluss möglichst genau klären, welche Leistungen zu erbringen sind. Auch bei agilen Projekten lassen sich Zielsetzung, Rahmenbedingungen und Art der Zusammenarbeit konkret formulieren. Falls Zieltermine vereinbart werden, sollten Sie schriftlich festhalten, unter welchen Umständen diese verschoben werden können. Planen Sie zudem zeitliche Puffer ein und prüfen Sie regelmäßig den Fortschritt des Projekts. Mit dem Auftraggeber sollten sich IT-Experten auch im Projektverlauf eng abstimmen, insbesondere über die finanziellen und zeitlichen Folgen von Änderungswünschen.
Auch das beste Vertrags- und Projektmanagement kann jedoch nicht allen Konflikten vorbeugen. Wer sich gegen mögliche Rechtsstreitigkeiten und die finanziellen Folgen eines Vertragsrücktritts absichern möchte, kann dies im Rahmen der IT-Haftpflichtversicherung tun. Mit dem Zusatzbaustein „Rücktritt des Auftraggebers vom Projektvertrag“ übernimmt es der Versicherer, die Rechtmäßigkeit eines Rücktritts zu prüfen. Im Fall des Falles erstattet der Versicherer bedingungsgemäß Ihre vergeblichen Aufwendungen, inklusive Sachkosten, Honorare von Subunternehmern und Ihren eigenen Werklohn.